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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt
Autoren: Kurt Mahr
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Mann und eine Frau. Ken hatte kaum Gelegenheit, sich das Aussehen des Mannes einzuprägen. Es war die Frau, die ihn von der ersten Sekunde an fesselte.
    Sie trug einen metallisch blauen Überhang nach der gegenwärtigen Mode, der ihre Beine mehr als vorteilhaft zur Geltung brachte. Sie hatte langes, blondes Haar mit einem rötlichen Schimmer und ein eigenwilliges Gesicht mit großen, blauen Augen und einem vollen Mund, der einen halben Zentimeter breiter war, als es den Regeln der klassischen Schönheit entsprach.
    Sie war ohne Zweifel intelligent, und in ihrer Schönheit und Eleganz kam sie Ken in dieser düsteren Umgebung fehl am Platz vor. Sie sah aus, als hätte eine magische Kraft sie von der nachmittäglichen Cocktailstunde in Madrid-Royal ohne Warnung hierher versetzt.
    Der Mann hinter Ken versetzte ihm einen kräftigen Stoß. Ken taumelte nach vorne und fand erst wenige Schritte vor der Frau seinen Halt wieder. Sie blitzte ihn an und fauchte:
    »Mach die Klappe auf und sing uns vor, wer dich hinter uns hergeschickt hat!«
    Der Prozeß der Ernüchterung vollzog sich so schnell, daß er schmerzte. Ken starrte ungläubig auf die blonde Frau, den Klang ihrer Worte noch in den Ohren. Er war so perplex, daß er sich selbst dann nicht rührte, als sie plötzlich aufsprang und ihm mit blitzschneller Bewegung den Handrücken ins Gesicht schlug.
    Der Schlag tat weh. Ken, der langsam aus seiner Bestürzung erwachte, sah, daß die Frau einen Ring an der rechten Hand trug. Der Stein hatte ihn an der Lippe getroffen. Er spürte den Geschmack von Blut auf der Zunge.
    »Spuck's aus, sage ich!« schrie die Frau. »Oder ich laß dich auseinandernehmen!«
    Ken fuhr sich mit der Hand über den Mund. Er wußte jetzt, mit wem er es zu tun hatte. Die Frage schoß ihm durch den Kopf, ob er sich jemals wieder von dem Äußeren einer Frau allein beeindrucken lassen würde.
    »Ich habe nichts«, antwortete er ruhig, »was das Ausspucken lohnte. Aber wenn Sie noch einmal zuschlügen – vielleicht könnten Sie ein paar Zähne aus der Fassung hauen.«
    Er hatte das letzte Wort noch nicht heraus, da bekam er von hinten einen mörderischen Schlag auf den Schädel. Er hatte nicht damit gerechnet. Die Welt verschwand in einem grellen Blitz. Er spürte nicht mehr, wie er zu Boden schlug.
    Als er wieder zu sich kam, saß er auf einem Stuhl. Sonst hatte die Szene sich nicht wesentlich geändert. Trotzdem hatte Ken das Gefühl, daß er ziemlich lange bewußtlos gewesen sei, etwa eine Stunde. Die Frau saß nach wie vor gelangweilt in ihrem Sessel. Sie beachtete ihn nicht. Er hatte zum erstenmal Gelegenheit, den Mann in Augenschein zu nehmen, der neben ihr saß. Er war klein und wenigstens doppelt so alt wie sie. Er hatte ein kleines, runzliges Gesicht, das so aussah, als wäre es in übergroßer Hitze eingetrocknet. Die kleinen Augen waren äußerst beweglich. Die Nase trat scharf hervor, und die Lippen bildeten einen dünnen, farblosen Strich. Der Mann war ebenso sorgfältig gekleidet wie seine Nachbarin. Nur auf seine Haartracht schien er kein Augenmerk zu haben. Dichter, pechschwarzer Haarwuchs, ungekämmt und verfilzt, krönte den merkwürdig geformten Schädel.
    Der dritte Mann schien den Raum verlassen zu haben – wenigstens, dachte Ken das, bis er das Paar kräftiger Hände auf seinen Schultern fühlte, das ihn mit Nachdruck gegen die Stuhllehne drückte. Er legte den Kopf in den Nacken, soweit es der dröhnende Schmerz zuließ, und starrte in ein grobes, unintelligentes Gesicht, das seinen Blick unbewegt erwiderte.
    Die blonde Frau erwachte plötzlich zum Leben. Sie richtete sich auf.
    »Kori, Linth – wir haben nicht mehr viel Zeit. Wir haben festgestellt, daß dieser Dummkopf von keiner der gefährlichen Ebenen kommt. Das bringt uns in eine unangenehme Lage. Wir müssen damit rechnen, daß man auf seiner Ebene kurz vor der Entdeckung der Niveautheorie steht, und damit erwächst uns eine neue Gefahrenquelle.«
    Wenn sie von Anfang an so gesprochen hätte, dachte Ken, wären meine Illusionen nicht erschüttert worden.
    »Es bleibt uns keine andere Wahl«, fuhr die Frau fort, »als herauszufinden, woher der Narr kommt. Und sobald wir es wissen, muß eine neue Wachgruppe aufgestellt werden, die die Aufgabe hat, diesen Niveaubereich unter Beobachtung zu halten.«
    Sie schwieg. Der kleine Mann mit dem verschrumpelten Gesicht dachte eine Zeitlang angestrengt nach. Ken riskierte einen zweiten Blick nach oben und sah seinen Wächter
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