Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt
Autoren: Kurt Mahr
Vom Netzwerk:
hindurch.
    Ken bedachte seine Lage.
    Er hatte viel gelernt, hundertmal soviel in den letzten Stunden wie in den ganzen Jahren unermüdlichen Studiums. Er wußte jetzt, was Perzeptionstheorie war und in welcher Richtung die Forschung weitergetrieben werden mußte.
    Er hatte geholfen, Nenu zu beseitigen, die die Erde seines Universums und vieler anderer bedrohte.
    Er war sich klar geworden, daß er Dado liebte, und er wußte jetzt, daß seine Furcht umsonst gewesen war. Dado war kein Robot. Er hätte früher daraufkommen müssen. In all den Tagen, in denen er mit Jernigan zusammen war, hatte er ihn lächeln und grinsen, mit den Schultern zucken und das Gesicht verziehen sehen. Aber niemals waren seine Augen an der Gestik beteiligt gewesen. Jernigans Augen waren die eines Robots, Sehinstrumente. Robotaugen waren unfähig, die Zärtlichkeit wiederzuspiegeln, die er in Dados Blick gelesen hatte. Nein, Dado war kein Robot.
    Er hatte viel gelernt und viel geleistet.
    Und zum Schluß ging er mit leeren Händen aus.
    Die Hitze war so bestialisch, daß ihm der Schweiß in Strömen den Körper entlangrann. Er war müde und schwach. Er würde die Qual nicht lange ertragen. Bis die Wirkung der letzten Aktivierung seines Wahrnehmungssektors nachließ, würden noch Stunden vergehen.
    Bis dahin war er längst nicht mehr.
    Der Arm, auf den er sich gestützt hatte, knickte ein. Er fiel zur Seite und kam mit der Wange auf den heißen Sand zu liegen. Der Sand brannte wie ein glühendes Eisen. Er schrie auf. Eine Idee schoß ihm durch den Kopf.
    Das Wasser! Jenseits des roten Lichtkreises gab es Wasser!
    Die Verzweiflung gab ihm noch einmal Kraft. Er schleppte sich durch den roten Kreis hindurch und erreichte den Rand des Tümpels, den er zuvor gesehen hatte. Er streckte die Hand aus und berührte die stille, fahlschimmernde Flüssigkeit.
    Schmerz packte ihn mit würgendem Griff. Er schaffte es mit letzter Kraft, die Hand zurückzuziehen. Da, wo sie die Flüssigkeit berührt hatte, war sie rot und von Brandblasen bedeckt.
    Ken ließ sich rückwärts sinken.
    Das war das Ende.
    Dado ...!

 
EPILOG
     
    Er hörte ein Geräusch.
    Er war zu kraftlos, um sich aufzurichten. Aber wenn er die Augen öffnete, konnte er den roten Kreis sehen. Das Bild war nicht deutlich. Schwäche wob einen milchigen Schleier quer durch sein Blickfeld.
    Das Geräusch kam näher, regelmäßig, pochend.
    Blut, dachte Ken, das Blut in den Adern.
    Am Rand des Lichtfelds erschien eine Gestalt, schemenhaft zuerst, dann deutlich und vertraut, als sie den Kreis betrat.
    Ein gurgelnder Schrei brach über Kens Lippen.
    Die Gestalt eilte auf ihn zu, kniete neben ihm nieder. Ken sah zu ihr auf, noch immer nicht gewiß, ob er seinen Augen trauen durfte.
    »Dado ...«
    »Still! Kein Wort. Wir untersuchten deinen zertrümmerten Punktor und fanden heraus, wo du ungefähr gelandet sein mußtest. Jernigan und ich sind seit zwei Tagen ununterbrochen auf der Suche.«
    »Zwei Tage ...«, murmelte Ken.
    Dado schob ihm die Hand unter den Kopf und hob ihn an. Er spürte die kühle, wohltuende Berührung eines kleinen, metallischen Geräts auf der Haut des Nackens.
    »Gleich«, hauchte Dado. »Gleich ist alles in Ordnung.«
    Er hörte den Schalter klicken, und im gleichen Augenblick war die mörderische Hitze verflogen.
     
    *
     
    »Ich«, sagte Dado, »fing vor acht Jahren an, mich mit der Perzeptionstheorie zu beschäftigen. Ich lernte von den besten Lehrern meiner Welt. Als ich fertig war, beschloß ich, mich im Kosmos umzusehen.
    Unsere Regierung verfolgte von jeher die Politik, anderen Universen in der Bewältigung der Wahrnehmungshypothese Beistand zu leisten, sofern die nötigen Bedingungen gegeben waren und man hoffen konnte, daß die Bevölkerung des anderen Universums die neue Kenntnis mit Verantwortungsbewußtsein anwandte. Obwohl ich meine Reise als Privatperson unternahm, erhielt ich also von offizieller Stelle den Auftrag, meine Kenntnisse weiterzuvermitteln, sobald sich dazu Gelegenheit bot.
    Ich kam hierher.«
    Sie machte eine Pause und sah zum großen Laborfenster hinaus über die Dächer von Epcot hinweg. Ihre Zuhörer waren Ken Lohmer, Felip Gutierr und Waale Hills. Jernigan war zur Welt des Chi-Bar zurückgekehrt, um dort nach dem Rechten zu sehen. Die Nachricht von Nenus Tod war durch die entsprechenden Kanäle verbreitet worden. Das Volk erhob sich allenthalben. Eine provisorische Regierung wurde eingesetzt. Eine vorläufige Untersuchung der staatlichen Finanzen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher