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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert
Autoren: Marian Keyes
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GEMMA

    1
    AN:   [email protected]
VON:  [email protected]
THEMA:  Vater entlaufen
     
    Susan, du wolltest wissen, was es an Neuigkeiten gibt. Ich habe welche für dich. Allerdings wirst du vielleicht bereuen, dass du gefragt hast. Sieht so aus, als hätte mein Vater meine Mutter verlassen. Ich weiß nicht, wie ernst die Sache ist. Melde mich, sobald ich mehr weiß.
    Gemma xxx
     
     
    Als mich der Anruf erreichte, dachte ich, er wäre gestorben. Aus zwei Gründen: Erstens bin ich in letzter Zeit bei einer beunruhigend großen Anzahl von Beerdigungen gewesen – Freunde meiner Eltern und, viel schlimmer, Eltern meiner Freunde. Zweitens, Mam rief mich auf meinem Handy an. Das war das erste Mal, denn sie hält hartnäckig an der Überzeugung fest, dass man ein Handy nur von einem anderen Handy aus anrufen kann, als wären es Funkgeräte oder so. Als ich das Telefon ans Ohr hielt und sie stammeln hörte: »Er hat uns verlassen«, ist es also nicht verwunderlich, dass ich dachte, Dad habe ins Gras gebissen und jetzt seien nur noch wir zwei übrig, sie und ich.
    »Er hat eine Tasche gepackt und ist gegangen.«
    »Er hat eine …?« Erst da ging mir auf, dass Dad vielleicht doch nicht tot war.
    »Komm nach Hause«, sagte sie.
    »Ja, gut …« Aber ich war gerade arbeiten. Und zwar nicht im Büro, sondern im Ballsaal eines Hotels, wo ich die letzten Vorbereitungen für eine Chiropraktiker-Konferenz beaufsichtigte. (Thema: Nie mehr Rückenschmerzen. ) Es war ein Riesenauftrag, und die Vorbereitungen hatten Wochen gedauert. Am Abend zuvor war ich wegen der Ankunft von hunderten von Delegierten bis halb eins auf gewesen und hatte mich um ihre Probleme gekümmert. (Zum Beispiel musste ich die Teilnehmer, die nach der Buchung und vor Beginn der Konferenz wieder mit dem Rauchen angefangen hatten, von Nichtraucherzimmern in Raucherzimmer umquartieren.) Dies war endlich der Tag der Wahrheit, und in weniger als einer Stunde würden zweihundert Chiropraktiker hereinströmen und erwarten, dass Folgendes für sie vorbereitet war:
     
    A. ein Namensschild und ein Stuhl,
    B. um 11 Uhr Kaffee und zwei Kekse (einer mit, einer ohne Schokolade),
    C. um 12.45 Uhr ein dreigängiges Mittagessen (alternativer Speiseplan für Vegetarier),
    D. um 15.30 Uhr Kaffee und zwei Kekse (beide ohne Schokolade),
    E. Aperitif mit anschließendem Galadiner, danach Musik, Tanz und (wahlweise) Flirt.
     
    Als mein Handy klingelte, dachte ich übrigens, es wäre der Typ mit den Leinwänden, um mir zu sagen, dass er auf dem Weg sei. Mit – das Wichtigste daran – den Leinwänden.
    »Was ist passiert?«, fragte ich Mam und fühlte mich hin- und hergerissen. Ich kann hier nicht weg …
    »Das erzähl ich dir, wenn du hier bist. Beeil dich. Ich bin ganz durcheinander, ich weiß gar nicht mehr, was ich tue.«
    Das war genug. Ich klappte mein Telefon zu und sah zu Andrea hinüber, die offensichtlich schon mitbekommen hatte, dass was passiert war.
    »Alles in Ordnung?«, murmelte sie.
    »Es ist was mit meinem Dad.«
    Ich sah ihr an, dass sie auch dachte, mein Vater wäre über die Springe geklungen (wie er selbst zu sagen pflegte). (Jetzt spreche ich auch schon so, als wäre er tot.)
    »O Gott … ist er … hat er …?«
    »Nein, nein«, beruhigte ich sie, »er lebt.«
    »Geh, geh schon, los!« Sie schob mich zum Ausgang, offensichtlich eine Abschiedszene am Sterbebett vor Augen.
    »Das geht nicht. Ich muss doch hier bleiben.« Ich zeigte auf den Ballsaal.
    »Ich schaffe das schon, wir schaffen das, Moses und ich, und ich rufe im Büro an, dass sie Ruth vorbeischicken. Du hast das so gut vorbereitet, was kann da schon schief gehen?«
    Die richtige Antwort darauf lautet natürlich: so gut wie alles. Seit sieben Jahren organisiere ich Events, in der Zeit habe ich so ziemlich alles gesehen – von Konferenzteilnehmern, die nach einer exzessiven Einnahme von Erfrischungen vom Podium stürzten, bis hin zu Professoren, die sich über die Verteilung der Schokoladenkekse in die Haare gerieten.
    »Ja, aber …« Ich hatte Andrea und Moses eingebläut, dass sie, tot oder lebendig, zu erscheinen hätten, und jetzt war ich selbst im Begriff, den Schauplatz zu verlassen – weswegen eigentlich? Was für ein Tag! Er hatte kaum begonnen, und so viel war schon schief gegangen. Es fing mit meinem Haar an. In letzter Zeit hatte ich keine Zeit gehabt, zum Friseur zu gehen, und am Morgen hatte ich in einem Anfall von Wahnsinn angefangen, selbst daran
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