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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt
Autoren: Kurt Mahr
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dieser Welt.
    Woher also kam das Haus?
    Mitten im Grübeln wurde Ken klar, daß er im Begriff war, gegen eine der fundamentalen Regeln zu verstoßen, die er selbst aufgestellt hatte. Er hatte angefangen, logisch zu denken und mit logischen Argumenten die Lage zu erklären versucht, in der er sich befand.
    Das, erinnerte er sich schuldbewußt, war verboten. Die Versuchsserie wurde unternommen, um Tabus zu brechen. Um zu beweisen, daß vieles, was der Mensch für selbstverständlich und keines Beweises bedürftig hielt, in Wirklichkeit der Ausfluß einer stereotypen Denkweise war, das Resultat eines Gedankens, der widerspruchslos für richtig gehalten wurde, weil ihn seit Tausenden von Jahren Milliarden Menschen immer wieder gedacht hatten.
    Logik, brachte Ken sich von neuem zu Bewußtsein, hatte auf diesem Vorstoß ins Unbekannte nichts zu suchen. Als er sich daran machte, sein erstes Experiment durchzuführen, hatte er die Gesetze der Logik und die Vorstellung von der Zeit als einem schwer faßlichen Etwas, das unbeeinflußbar verfloß, hinter sich gelassen.
    Er fühlte sich besser, nachdem er sich dies klargemacht hatte. Er erreichte den Fuß des Berges und überzeugte sich, daß er sich tatsächlich ohne jeden Übergang aus der Ebene erhob und daß die glatte Wand, die aus der Nähe einen steilen Eindruck machte, mit dem flachen Boden eine scharfe Kante bildete. Er machte sich ohne Zögern an den Aufstieg. Der Fels erschien auf den ersten Blick gefährlich glatt, aber die Sohlen der Schuhe, die er trug, waren für Kletterpartien wie diese vortrefflich geeignet. Er fand sicheren Halt, wohin er auch trat, und näherte sich dem Haus mit einer Geschwindigkeit, die seiner Neugierde entsprach.
    Er bemerkte, daß der Aufstieg ihm keinerlei physische Mühe machte. Obwohl er kraft seiner Muskeln ganz ohne Zweifel gegen ein Schwerefeld arbeitete, das sich nicht merklich von dem gewohnten unterschied, spürte er keine Ermüdungserscheinung. Er fand das verwunderlich, grübelte jedoch, seinem Vorsatz folgend, nicht lange darüber nach.
    Ein einziges Mal nahm er sich Zeit, haltzumachen und dorthin zurückzuschauen, woher er gekommen war. Der Blick in die Tiefe, über den steilen Berghang hinweg, nahm ihm eine Sekunde lang den Atem. Er überwand das Schwindelgefühl und überblickte enttäuscht die riesige, schwarze Ebene, die auch aus mehr als zweihundert Metern Höhe keinen weniger eintönigen Eindruck machte als vom Fuße des Berges aus. Sie reichte immer noch bis an den Horizont, und Ken Lohmer kamen ernsthafte Zweifel, ob es auf dieser ganzen Welt überhaupt etwas anderes gab als die glatte Felsebene und den einsamen Kegelberg mit dem Haus auf der Spitze.
    Er nahm den Hang wieder in Angriff und erreichte etwa eine halbe Stunde später den Gipfel des Berges. Aus der Nähe war zu erkennen, daß die Spitze des Kegels abgeschnitten worden war, um ein kreisförmiges Plateau von etwa fünfzig Metern Durchmesser zu schaffen. In der Mitte des Plateaus stand das Haus. Es war nicht allzu groß und schien aus demselben Material erbaut, aus dem auch der Berg und die Ebene bestanden. Es war quaderförmig und hatte ein flaches Dach. Die Wand, der Ken gegenüberstand, besaß zwei hell erleuchtete Fenster und eine Tür. Auch die Tür war schwarz, als wäre sie aus der gleichen Substanz gefertigt wie der Rest dieser merkwürdigen Welt. Am rechten Rand, etwa in halber Höhe, befand sich ein aus der Türfüllung hervortretendes, gleichschenkliges Dreieck, das mit der Spitze nach oben zeigte. Es mußte sich um den Riegelmechanismus handeln. Ken hatte dort, woher er kam, ähnliche Riegelarmaturen an den Türen alter Häuser gesehen.
    Er trat auf das Haus zu und warf einen Blick durch das Fenster links neben der Tür. Er sah in einen Raum, der sein Licht aus zwei in der Decke montierten Leuchtplatten bezog. Der Raum enthielt einen Tisch, mehrere Stühle und zwei Polstersessel. Niemand hielt sich darin auf. Die Möbel wirkten, ebenso wie das Türschloß, ein wenig altmodisch, aber im großen und ganzen nicht aus dem Rahmen fallend. Eine türgroße Öffnung, im Augenblick unverschlossen, führte aus dem Raum nach rechts, wahrscheinlich zu dem Vorplatz hinter dem Haupteingang.
    Ken ging um das Haus herum. An der Schmalseite gab es ein weiteres Fenster, durch das er in ein zweites, leeres Zimmer blickte. Die Zimmerdecke enthielt wiederum zwei Leuchtplatten, aber es gab kein einziges Möbelstück. Der Raum wirkte auf merkwürdige Art neu. Er war nie
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