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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt
Autoren: Kurt Mahr
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unserer Kante. Offensichtlich haben sie schon eine ganze Reihe von Gegenspielern. Jetzt kommen wir noch dazu – wenigstens in Nenus Buchführung. Sie sagte selbst, daß eine neue Wachgruppe aufgestellt werden soll, die auf uns zu achten hat.«
    »Nenu wird nicht wissen, in welcher Richtung sie Ausschau halten muß«, antwortete Ken, und er war seiner Sache ganz sicher. »Kori kam nicht mehr dazu, mein Gehirn unter die Lupe zu nehmen.«
    Dado sah ihn undurchdringlich an. Ihm wurde unbehaglich. Er war froh, als Dado sich schließlich an Felip wandte.
    »Felip – erzählen Sie ihm, wie es hier aussah, während er sein Experiment ausführte.«
    Felip grinste. Er hatte einen unwahrscheinlich breiten Mund.
    »Okay – ich erzähle es ihm!« Er blickte Ken an. »Sie lagen dort, Chef, auf der Liege. In tiefem Schlaf, scheinbar bewußtlos. Sie rührten sich die ganze Zeit über nicht. Ich gab Ihnen eine Amphozen-Injektion. Ihr Körper reagierte normal.«
    Ken begriff nicht. Er sah Felip verdutzt an.
    »Na schön. Das hatten wir erwartet. Was ist daran ...?«
    »Das Bild hat zwei Seiten, Ken«, unterbrach ihn Dado drängend. »Was, glaubst du, sah Kori, nachdem du hierher zurückgekehrt warst? Glaubst du, dein Körper hätte sich vor seinen Augen in Luft aufgelöst?«
    Ken atmete scharf ein. Er verstand. Er selbst, sein Bewußtsein, hatte sich Koris Zugriff gerade noch im letzten Augenblick entzogen. Er hatte sich in Sicherheit gebracht und war dank der Programmierung, die mit seinem Bewußtsein vor Beginn des Versuches vorgenommen worden war, der tödlichen Gefahr entgangen, die ihm von Nenu und ihren Absichten drohte.
    So sah er die Sache.
    Wie sahen sie Nenu, Linth und Kori?
    Die Tatsache, daß er lediglich einen Versuch ausführte und sich daher nur kurze Zeit auf der schwarzen Welt aufhielt, konnte auf ihre Wahrnehmung keinen Einfluß haben. Es war unmöglich – oder so gut wie unmöglich, verbesserte sich Ken im letzten Augenblick – daß Nenu und ihre Kumpane an dem Geschehen, wie er es erlebte, teilhatten. Es bestand für sie keinerlei Anlaß, in dem Augenblick, in dem das Experiment endete und er hier ins Labor zurückkehrte, etwas Unnatürliches wahrzunehmen – wie etwa die plötzliche Auflösung seines Körpers.
    Dado hatte recht. Kori hatte seine Geräte aktiviert und die Behandlung vorgenommen, wie Nenu ihm befohlen hatte. Denn Koris Wahrnehmungsmechanismus war in demselben Augenblick, in dem Ken Lohmer die schwarze Welt verließ, auf eine andere Ebene übergesprungen. Kori – und mit ihm Nenu und Linth – hatte nach wie vor den Gefangenen vor sich liegen sehen, vielleicht ihn sogar protestierend schreien hören, und die neurophysische Befragung durchgeführt, wie ihm aufgetragen worden war.
    Und wenn Kori seinen Beruf verstand, woran zu zweifeln wenigstens im Augenblick kein Grund bestand, dann hatte er die Prozedur durchgeführt und wußte nun, was er wissen wollte.
    Ken sah auf. Selbst der letzte Rest von Befriedigung, die er über den glücklichen Ausgang des Versuchs empfunden hatte, war verflogen.
    Dado nickte ihm zu, als wüßte sie im voraus, zu welchem Schluß er gekommen war.
    »Sie wissen, wo wir sind«, sagte er trocken.
     
    *
     
    Die Konzeptionstheorie – mit ihrem vollen Namen »Hypothese der selektiven Konzeption« – war verhältnismäßig jung, kaum hundert Jahre alt, obwohl der Anlaß, der die Gedanken der Menschheit in dieser oder ähnlichen Richtungen in Bewegung gesetzt hatte, mehr als sechshundert Jahre in der Vergangenheit lag.
    Der Anlaß war Schreibners Gesetz der Absoluten Invarianz. Schreibner bewies klar und eindeutig für jeden, der seinen Argumenten zu folgen in der Lage war, daß alle Naturgesetze notwendigerweise zeit-invariant seien – das heißt Gültigkeit besaßen unabhängig davon, wie die Zeit ablief. Das Gesetz des freien Falls zum Beispiel galt auf der Erde ebenso wie auf einem Planeten, auf dem die Zeit rückwärts ablief. Schreibners Arbeit über die Invarianz war der Abschluß jahrzehntelanger Forschungen. Schreibner war der erste, der schlüssig bewies, was seit den Anfängen der modernen Physik vor etwa eintausend Jahren als oftmals angezweifeltes Postulat bestanden hatte.
    Die zunächst philosophische Frage, die sich nach Schreibners Entdeckung von selbst erhob, hieß: Wenn alle Naturgesetze unabhängig vom Verlauf der Zeit funktionieren, was ist dann Zeit?
    Die theoretischen Physiker waren die ersten, die die Frage den Philosophen aus der Hand nahmen und
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