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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt
Autoren: Kurt Mahr
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niemals wieder imstande sein würde, die ungeheure Vielfalt aller Universen wahrzunehmen. Die Zahl der Zentren reichte nicht aus. Als der erste Einzeller die Entscheidung traf, von jetzt an sein Augenmerk nur noch auf die Universen zu richten, die mit seinem Überleben zu tun hatten, gab er das Vorrecht der umfassenden Wahrnehmung auf. Die Natur reagierte entsprechend. Die Fähigkeit verkümmerte, und mit ihr die Mechanismen, deren sie sich einst bedient hatte.
    Oder – in Arthur Millings Terminologie: Die Menschen, die sich auf einmal daranmachten, das Geheimnis ihrer beschränkten Wahrnehmungsfähigkeit zu erkunden, stellten fest, daß sie ihre Wahrnehmungen fast ausschließlich in einer Serie von Universen machten, in denen die Kombination der Volumquanten und Elementarteilchen so gelagert war, daß sie, die Menschen selbst, nicht genug Perzeptionszentren besaßen, um die Fähigkeit der allumfassenden Perzeption jemals wiederherzustellen.
    Die ersten Experimente begannen. Tierversuche zunächst. Man versuchte, die brachliegenden Perzeptionszentren zu aktivieren. Man machte eine merkwürdige Entdeckung. Das organische Gehirn weigerte sich offenbar, eine Erweiterung seiner Wahrnehmungsfähigkeit zu dulden. Wurde ein bisher totes Zentrum aktiviert, dann starb dafür ein anderes. Das Versuchstier erlangte nicht die Fähigkeit, mehr Universell simultan wahrzunehmen – es nahm andere wahr. Die Aktivierung von Perzeptionszentren wurde durch Drogen mit beschränkter zeitlicher Wirkung erzielt. Solange die Wirkung anhielt, schien das Versuchsobjekt seinen befangenen Beobachtern sich im Zustand der Bewußtlosigkeit zu befinden. Ließ die Wirkung nach, kam das Tier wieder zu Bewußtsein. Die Aktivität seines Gehirns war gewöhnlich ziemlich hoch – ein Beweis dafür, daß es, während es auf die Beobachter den Eindruck völliger Lethargie machte, in Wirklichkeit beschäftigt gewesen war, erregende Geschehnisse wahrzunehmen, in Universen, die außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der Beobachter lagen.
    Die Versuche waren erfolgversprechend. Die Öffentlichkeit bekam nicht allzuviel über sie zu hören, denn in der Öffentlichkeit gab es nicht viele Geister, die in der Lage waren, Millings komplizierten und letzten Endes unanschaulichen Darlegungen zu folgen. Höheren Orts jedoch nahm man Notiz. Die Universität, an der Milling gelehrt hatte, erhielt den Auftrag – und das notwendige Geld – das Studium der Perzeption weiterzuverfolgen. Das Peninsular Institute of Neurophysics, vierhundert Kilometer nordwestlich von Miami, wurde zum Zentrum der Perzeptionsforschung innerhalb des panamerikanischen Staatenbundes. Der Bund sah sich in der glücklichen Lage, über ein Projekt, über das er die Weltöffentlichkeit außerhalb der Pan-American Organization of States (PAOS) nach Möglichkeit im unklaren lassen wollte, keine besonderen Geheimhaltungsvorschriften verhängen zu müssen; denn niemand, nicht einmal die kleinsten und klatschsüchtigsten Nachrichtenagenturen kümmerten sich um einen Vorgang, der viel zu kompliziert war, als daß man ihn dem Publikum hätte erklären können.
    Ken Lohmer erlangte den Grad eines Doktors der Neurophysik im Januar 2938. Er wurde unmittelbar zum Stab des Mannes berufen, der das Perzeptions-Forschungsprojekt leitete – Chas Terry, der letzte von Millings Assistenten. Im Laufe von zehn Jahren arbeitete sich Ken zum Posten eines Abteilungsleiters der ständig wachsenden Forschungsgruppe empor. Als Terry infolge eines Unfalls starb, übernahm Ken seine Stelle. Zu Beginn ein wenig unsicher und völlig ungewiß, ob er das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigte, wuchs er schnell in seine Aufgabe hinein und verblüffte seine Umgebung mit einer Serie von bahnbrechenden Erfolgen. Im Sommer 2945 wurde zum erstenmal das Wahrnehmungszentrum eines Versuchstiers mit Hilfe der von Ken Lohmer entwickelten Elektropunktur-Methode aktiviert, anstatt mit einer Droge. Die Elektropunktur ermöglichte die Aktivierung eines bestimmten, vom Beobachter auszuwählenden Zentrums, während man bei der bisher verwandten Droge sich darauf hatte verlassen müssen, daß die Wirkung eines oder mehrere Zentren in den angeregten Zustand versetzen würde – ohne jedoch zu wissen, welches oder welche.
    Ken Lohmer bewährte sich durch eigenen Forschergeist ebenso wie durch die Klugheit, mit der er seine Mitarbeiter auswählte. Dr. Felip Gutierr, Tierpsychologe, war seine erste Neuerwerbung. Felip hatte, kurz bevor er zu Ken
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