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217 - Der Unsichtbare

217 - Der Unsichtbare

Titel: 217 - Der Unsichtbare
Autoren: Michelle Stern
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Der Wind fauchte wütend um die Gondel. Auch in ihrem Innern herrschte ein heftiger Luftzug. Eine Kiste mit vier Steinschlossgewehren und Munition, die sie hatten von Bord werfen wollen, schoss unter dem Kartentisch hervor. Sie rutschte genau auf Matthew Drax zu, verfehlte ihn dann aber irgendwie und schlug krachend gegen die Wandung.
    Niemand hatte damit rechnen können, dass sie nach Austritt des Strahls schon wieder in einem Gewitter landen würden, niemand war vorbereitet auf diese Naturgewalten! Dasselbe Unwetter wie beim Eintritt konnte es nicht sein, denn nach Matthew Drax’ Berechnung mussten seitdem Wochen vergangen sein. Außerdem versetzte der Zeitstrahl alle in ihm Reisenden nicht nur zeitlich, sondern auch örtlich.
    »Maddrax… Was ist mit Maddrax passiert?«, hörte der Kaiser Yann Haggard stammeln. Der Energieseher hielt sich verzweifelt an dem Sessel fest, was mit seiner verstümmelten Hand umso schwieriger war. Er warf seine langen grauen Haare zurück, und für einen Moment konnte man sehen, dass ihm eine Ohrmuschel fehlte. »Waren wir schon im Strahl?«
    »Wir haben ihn gerade wieder verlassen«, gab de Rozier zurück. Der Kaiser schaffte es endlich, trotz seiner glatten Schnallenschuhe auf die Füße zu kommen. Er taumelte quer durch die Bugkanzel und riss nun selbst an dem Ventil, das sich aber keinen Millimeter bewegen wollte. »Es klemmt! Merde! Warum ausgerechnet jetzt?«
    Hinter Matthew ertönte ein leises Lachen. Es klang so unwirklich in dieser dramatischen Situation, dass er herumfuhr. Yann Haggard strahlte über das ganze Gesicht. Der Grund offenbarte sich einen Augenblick später. »Ich habe keine Schmerzen mehr!«, rief der Seher. »Die Kopfschmerzen sind weg! Einfach weg!«
    Endlich gelang es de Rozier, das Ventil, das er mit beiden Händen umklammerte, zu öffnen. Heißluft zischte aus dem Ballon, und er sank tiefer. Die Roziere höher steigen zu lassen hätte zu lange gedauert; nun versuchte er sein Glück in tieferen Lagen und in der Hoffnung, auch damit das Gewitterfeld zu verlassen. Und tatsächlich wurde der holprige Flug unvermittelt ruhiger.
    De Roziers weiße Perücke war verrutscht; er zog sie mit einem routinierten Handgriff auf dem Kopf zurecht. Dann ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. Dabei sah er Matt geradewegs ins Gesicht – und nahm ihn abermals nicht wahr!
    Matt hatte ein flaues Gefühl im Magen. Fassungslos starrte er an sich hinab: Sein Körper schien verschwunden zu sein!
    »Matt!«, brüllte der Kaiser, während er zum Steuerrad zurückkehrte. »Monsieur Drax!«
    Matthew brachte keinen Ton hervor. Er hob die Hand dicht vor seine Augen. Nichts! Da war nichts! Aber er fühlte seine Hand doch!
    »Er muss abgestürzt sein«, sagte Yann vom Sessel her. »Es gibt keine andere Möglichkeit.«
    De Rozier hatte selbst gesehen, wie die Bodenluke, die sie vor dem Eintritt in den Zeitstrahl geöffnet hatte, um Ballast abzuwerfen, beim Wiederaustritt zugefallen war.
    So hatte es zumindest für ihn ausgesehen; in Wahrheit hatte Matt die Luke geschlossen. Nachdem er Gilam’esh, dem wahnsinnig geworden Freund aus uralten Marstagen, knapp entkommen war. [1]
    »Pilatre! Ich bin hier! Direkt hinter dir!« Matt trat von hinten an de Rozier heran und packte ihn bei der Schulter, um ihn zu rütteln. Zumindest versuchte er es – doch nichts geschah. »Glaube ich zumindest…«, murmelte er und starrte in die Leere, wo eigentlich seine Hände hätten sein müssen.
    Er war nicht nur unsichtbar, sondern auch körperlos!
    War er… tot? War dies das Jenseits? Oder war sein Geist noch im Diesseits gefangen? War er zu einer Spukgestalt geworden, einem ruhelosen Geist, nicht einmal mehr ein Schatten seiner selbst?
    Panik überkam ihn, und er musste sich zwingen, ruhig zu bleiben.
    Es muss irgendetwas mit dem Tunnelfeld zu tun haben, überlegte er. Etwas musste mit ihm geschehen sein, als er von Gilam’esh aus dem normalen Raum-Zeit-Kontinuum herausgelöst worden und mit ihm durch den Zeitstrahl gereist war, bis zum Mars und zurück.
    Die bange Frage war: Blieb dieser Zustand dauerhaft bestehen?
    Yanns Stimme drang in sein Bewusstsein. »Wo sind wir überhaupt?« Der Seher richtete den Blick seines unversehrten Auges zum Fenster. Das zweite war milchig weiß und blind. Ein Tumor hatte es zerstört. »Maddrax sagte, wir würden bis zu sechs Wochen und viele hundert oder tausend Meilen überspringen, wenn wir durch den Strahl fliegen. Dann können wir doch unmöglich im selben
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