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Die Diktatorin der Welt

Die Diktatorin der Welt

Titel: Die Diktatorin der Welt
Autoren: Kurt Mahr
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Lohmer stieß, mit einer Arbeit von sich reden gemacht, in der er meßbare elektrische Vorgänge im Gehirn eines Pavians mit bewußten Gedanken des Versuchstieres korrelierte. Durch Felips Mitarbeit wurde es nun möglich, die zerebrale Aktivität der Versuchsobjekte nach ihrer aus einer Serie von Paralleluniversen zu deuten und einen Eindruck von der Art der Wahrnehmungen zu erhalten, die sie gemacht hatten.
    Etwa ein Jahr nach Felip Gutierr wurde die Elektronik-Expertin Dado Großman in den engeren Forschungskreis aufgenommen. Dado vervollkommnete die Methode der Elektropunktur bis zu dem Punkt, an dem sie gefahrlos auch auf das menschliche Gehirn angewandt werden konnte.
    Der erste Versuch hatte ein volles Jahr der Vorbereitung erfordert. Am 14. Juni 2951 führte Ken Lohmer das kritische Experiment an sich selber durch. Ein bisher brachliegendes Wahrnehmungszentrum im K3-Sektor seines Gehirns wurde durch Elektropunktur für eine Zeitdauer von viereinhalb Stunden aktiviert.
    Die Weltöffentlichkeit wußte nichts von den Dingen, die im zentralen Labor des Peninsular Institute of Neurophysics vor sich gingen. Dado Großman und Felip Gutierr waren die einzigen, die den Versuch beobachteten – den Versuch, von dem sich Ken Lohmer eine große Erweiterung seines Wissens versprochen hatte und von dem er mit Furcht im Herzen zurückgekehrt war, das gewonnene Wissen überschattet von der Erkenntnis, daß die Erforschung des Kosmos mit seiner Vielfalt von Universen kein rein wissenschaftliches Unternehmen war.

 
3
     
    Sie hatten drei Stunden damit verbracht, Gedanken miteinander auszutauschen und sich die Köpfe heiß zu reden. Dado hatte vorgeschlagen, die verfügbaren Daten in die Kombinatorik zu füttern und sie von ihr auswerten zu lassen. Die Kombinatorik wartete mit mehr als elf tausend möglichen Erklärungen auf, was ein Beweis dafür war, daß sie mit der Information nichts anfangen konnte.
    Draußen wurde es dunkel. Über der Stadt flammten die Lichter auf. Ken Lohmer, müde und verwirrt, schaltete die Aufnahmegeräte aus, die jedes Wort ihrer mehrstündigen Diskussion sorgfältig aufgezeichnet hatten. Es konnte sein, daß sie später auf das zurückkommen mußten, was in den ersten Augenblicken nach dem Versuch, unter dem Bann frischer Eindrücke gesagt worden war. Später, wenn sie Abstand von den Dingen gewonnen hatten.
    »Feierabend«, erklärte Ken. Seine Laune besserte sich plötzlich, als hätte er mit dem Entschluß, die Diskussion zu beenden, eine Last von sich geworfen. »In meiner Großzügigkeit bin ich bereit, einen von euch beiden zum Abendessen einzuladen. Wer soll's sein?«
    Felip grinste.
    »Wäre das eine Enttäuschung, wenn ich mich meldete, wie? Nein, danke, ich geh' lieber nach Hause. Aber Einhundert hier sieht so aus, als ob ...«
    »Hören Sie auf mit dem dummen Geschwätz«, fauchte Dado ihn an. »Sie wissen, wie ich heiße.«
    Ken und Felip lachten. Der Streit um Dados Vornamen war alt und trotzdem jedesmal von neuem eine Quelle der Heiterkeit. Dado, mit hellbraunem Haar und etwa fünfeinhalb Fuß groß, war nach Idealmaßen geschaffen. Ihre Personalakte enthielt die Information, daß sie zur Zeit ihres Studiums an einem Schönheitswettbewerb teilgenommen und ihn mit fliegenden Fahnen gewonnen hatte, zum Teil dank ihrer hervorragenden Intelligenz – denn es hatte sich in den vergangenen Jahrhunderten die Idee entwickelt, daß zur vollendeten Schönheit auch ein reger Geist gehöre – zum Teil aber auch mit ihren Körpermaßen, die eine staunende Jury zu 100 – 54 – 85 Zentimetern bestimmte. Die erste der drei Ziffern veranlaßte Felip zur Wahl eines neuen Vornamens für Dado, eine Wahl, gegen die Dado bei jeder Gelegenheit lauthals protestierte, obwohl es nicht schwer war ihr anzumerken, daß ihr das auf so unkonventionelle Art zum Ausdruck gebrachte Kompliment schmeichelte.
    »Dado, an dir bleibt's hängen«, schmunzelte Ken. »Wonach steht dir der Appetit?«
    Dado blitzte ihn an.
    »Auf eine voll geladene Pistole, um diesen verrückten Spanier umzubringen!«
     
    *
     
    Im Kellergeschoß des Institutsgebäudes nahm der sprudelnde, geräuschvolle Fluß des alltäglichen Verkehrs sie auf. Felip verabschiedete sich und nahm die »Kette« zur nächsten Rohrbusstation. Ken hielt Dado, die sich auf dem schnellsten Weg in den nächsten leeren Kettenwagen schwingen wollte, am Arm zurück und blieb auf dem Bahnsteig stehen. Dado schien ihn zu verstehen, ohne daß er sagte, was ihn bewegte.
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