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Dem Mammut auf der Spur

Dem Mammut auf der Spur

Titel: Dem Mammut auf der Spur
Autoren: Franziska Gehm
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Ein dämonisches Jaulen
    Es ist ein sonniger Frühlingstag vor ungefähr 40   000   Jahren. Luchsohr und sein Freund Pfotenherz sind die Ersten der Horde, die auf den Beinen sind. Vor der Höhle im Silberwurztal kriecht die Sonne gerade über den Horizont und schickt die ersten Strahlen über die Ebene. Für Luchsohr ist es ein perfekter Frühlingstag. Noch. Der Boden ist gefroren und es sind knapp über null Grad. Luchsohr hat eine warme Bärenfellhose und dicke Lederschuhe an.
    Ganz langsam und leise, wie zwei Raubkatzen, schleichen Luchsohr und Pfotenherz durch die hohen Gräser der Ebene. Sie müssen vorsichtig sein. Sonst enden sie als Frühstück von einem Höhlenlöwen.
    Luchsohr blickt in die Ferne, wo sich eine gewaltige, unendliche weiße Fläche ausbreitet. Das Eis. Der Schamane nennt es »die weißen Berge« und erzählt schauerliche Geschichten darüber: Tagsüber flüchten die Geister der getöteten Tiere dorthin und treiben jeden, der sich in die weißen Berge wagt, indie Irre. Nur nachts, nachdem die Geister die Sonne unter den Horizont gezogen haben, wagen sie sich von den weißen Bergen hinab.
    Luchsohr hat sonst nie Angst   – na gut, bei einem Säbelzahntiger vielleicht schon ein ganz kleines bisschen   –, aber mit diesen Geistern will er sich auf keinen Fall anlegen.
    »Pst!«, macht Pfotenherz plötzlich. »Das Gebüsch da vorne wackelt!«
    Wie zu Eis erstarrt bleiben die Jungen stehen, dann lassen sie sich ganz langsam auf den Erdboden nieder und behalten den Busch fest im Blick. Mucksmäuschenstill liegen sie auf der Lauer. Luchsohr spürt ein Zwicken im Bauch. Das kennt er schon. Und er mag es gar nicht, wenn es zwickt. Denn das Zwicken bedeutet Gefahr.
    »Da! Es wackelt schon wieder!«, flüstert Luchsohr. Plötzlich kommt ein furchtbares Geräusch aus dem Busch. Luchsohr und Pfotenherz zucken zusammen.
    »Oh nein, ein Wolf!«, flüstert Pfotenherz.
    Pfotenherz liebt Tiere, aber mit Tiergeräuschen kennt er sich nicht so gut aus.
    Luchsohr dafür schon. Er hat die besten Ohren der ganzen Horde. Luchsohr schüttelt den Kopf. »Das ist kein Wolf.«
    Pfotenherz sieht Luchsohr mit großen Augen an. »Was dann?«
    Luchsohr lauscht abermals. Plötzlich erklingt wieder der fürchterliche Schrei. Auf Luchsohrs Armen breitet sich Gänsehaut aus. So einen Laut hat er noch nie gehört. Er zögert. Schließlich flüstert er seinem Freund zu: »Ich weiß nicht, was das ist.«
    »Aber   …«, beginnt Pfotenherz und bekommt eine schneeweiße Nasenspitze, »du erkennst doch sonst jedes Tier an seinem Laut.«
    Luchsohr nickt. Das stimmt, aber dieses Tier   – oder was auch immer dort drüben im Gebüsch sitzt   – kennt Luchsohr nicht. Vielleicht hat es sich von den weißen Bergen in die Ebene verirrt? Vielleicht kommt es direkt aus dem Inneren der Erde? Eins ist sicher: Das Tier hört sich nicht gerade freundlich an.
    »Meinst du, es hat Hunger?«, flüstert Pfotenherz und zieht die Augenbrauen zusammen.
    Luchsohr kratzt sich hinterm Ohr. Dann nickt er ganz langsam. Das Zwicken in seinem Bauch wird immer schlimmer. Aber sie müssen etwas tun. Einfach weglaufen wie Fellhosenscheißer geht nicht. Ganz langsam zieht Luchsohr seine Steinschleuder aus dem Gürtel. Er will das unheimliche Tier aus dem Busch treiben, damit er es sehen kann. »Halt duden Speer bereit, falls es uns angreifen will«, flüstert Luchsohr seinem Freund zu. Dann legt er ein Steingeschoss in die Sehnenausbuchtung der Steinschleuder. Er spannt die Schleuder   – zielt   – und schießt!

    Der Stein segelt durch die Luft. Die Jungen folgen seinem Bogen mit offenen Mündern.
    Mit einem dumpfen Schlag landet der Stein einen guten Meter neben dem Gebüsch auf dem Boden.
    »Daneben«, stellt Pfotenherz fest.
    »Mammutmist!«, schimpft Luchsohr leise vor sich hin. Schon wieder nicht getroffen. Bei jedem Streifzug und jeder Jagd schießt er daneben. Fast immer. Dabei gibt er sich solche Mühe, alles richtig zu machen. Trotzdem trifft er so gut wie nie. Haben wirklich die bösen Geister der getöteten Tiere ihre Finger im Spiel? Das meint zumindest Papu, der Luchsohrs Vater und der Hordenführer ist.
    Oder gibt es einen anderen Grund, warum Luchsohr so oft danebenschießt? Luchsohr hat eine schreckliche Vorahnung. Aber davon kann er auf keinen Fall den anderen in der Horde erzählen. Noch nicht mal seinem besten Freund Pfotenherz. Vor allem nicht nach dem schrecklichen Unglück auf der Großjagd, bei dem Pfotenherz’ Papa starb.
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