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Dem Mammut auf der Spur

Dem Mammut auf der Spur

Titel: Dem Mammut auf der Spur
Autoren: Franziska Gehm
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wird es totenstill. Schamane Feuerblick streckt beide Hände zum Himmel und ruft: »Ihr Götter mit den goldenen Augen! Ihr seht unser Elend. Doch selbst in der größten Not gedenken wir eurer.« Er holt das Stück Fleisch aus seinem Beutel. »Diese Gabe ist für euch. Möge sie euch gnädig stimmen.« Mit diesen Worten wirft er den Brocken ins Feuer.

    Luchsohr sieht, wie die Flammen das Fleisch verschlingen. Sein Magen knurrt jetzt so laut, dass es bestimmt sogar die Götter hören.
    »Götter mit den goldenen Augen!«, ruft der Schamane in die Nacht. »Ihr seht, wie wir Hunger leiden. Seit zwei Nächten warten wir auf unsere Jäger. Wo sind sie? Sind sie mit reichlich Beute auf dem Heimweg? Oder irren sie durch die weißen Berge? Haben die bösen Geister der getöteten Tiere sie heimgesucht?« Der Schamane starrt in den Nachthimmel. Seine Augen funkeln. »Sind sie verwundet? Sind sie noch am Leben?«
    Trotz der Wärme des Feuers bekommt Luchsohr eine Gänsehaut. Der lange, hagere Schatten des Schamanen fällt genau auf sein Gesicht. Es ist, als würde ihn ein Geist streifen. Am liebsten würde er sich woanders hinsetzen, aber er wagt es nicht, sich zu bewegen.
    »Götter mit den goldenen Augen!«, fährt der Schamane fort und reckt den Knochenstab dem Himmel entgegen. »Ihr seid weise und gerecht und euer Blick ist unendlich. Gewiss habt ihr unsere Jäger gesehen, sie auf ihrer langen Wanderung begleitet. Wisst ihr, wie es um sie steht? So sendet mir ein Zeichen! Mag es auch noch so klein sein.«
    Der Schamane beginnt wieder zu summen und sich leicht hin- und herzuwiegen, wie ein dünner Baum im Wind. Seine Bewegungen werden immer ausladender und schließlich schwingt er auch die Arme und hebt die Beine. Er tanzt nicht froh und ausgelassen, sondern langsam und entrückt, als hätte er alles um sich herum vergessen.
    Der Schamane singt jetzt Worte, die Luchsohr nicht versteht. Es muss die Sprache der Götter sein, die nur der Schamane beherrscht. Er verdreht die Augen, sodass man nur noch das Weiße sieht. Luchsohr möchte den Blick am liebsten abwenden, aber der Schamane hat ihn in seinen Bann gezogen. Wie alle anderen auch, die ums Feuer sitzen.
    Schamane Feuerblick greift abermals in seinen Lederbeutel. Mit einer ausladenden Bewegung wirft er ein Pulver ins Feuer. Das Feuer lodert auf. Funken sprühen, als wären die Flammen zornig. Die Hordenmitglieder weichen ein Stück zurück. Der Schamane tanzt ungerührt weiter und singt. Immer lauter hallt seine Stimme durch die Nacht.
    Da saust ein goldenes Licht über den Himmel. Pfotenherz sieht es als Erster. »Die Götter schicken ein Zeichen!«
    Luchsohr erkennt gerade noch einen funkelndenSchweif, bevor das seltsame Licht am rabenschwarzen Himmel wieder verglüht.
    Die Götter haben dem Schamanen geantwortet.
    Schamane Feuerblick steht ganz still, hat den Kopf weit in den Nacken gelegt und sieht zum Himmel. Dann schließt er die Augen. Seine Hände bewegen sich dabei, als würde er etwas aus der Nachtluft formen. Er murmelt leise vor sich hin, stößt einen kurzen Schrei aus, bei dem Luchsohr wieder zusammenzuckt, und flüstert schließlich mit geschlossenen Augen: »Ich sehe unsere Jäger. Sie wirken abgekämpft, aber sie sind am Leben.«
    Mamu stöhnt leise.
    Schamane Feuerblick fährt mit geheimnisvoller Flüsterstimme fort: »Doch sie sind in Gefahr. In großer Gefahr.«
    Mamu und die anderen Hordenmitglieder wagen es kaum zu atmen.
    »Unsere Jäger stehen dicht aneinandergedrängt. In ihren Augen ist Angst. Sie blicken sich verzweifelt um, halten ihre Lanzen zum Angriff bereit.«
    »Wovor haben sie Angst?«, flüstert Papu und sieht den Schamanen eindringlich an.
    Doch der hat seine Augen weiterhin geschlossen. »Sie sind umzingelt. Von Bestien.«
    Einige schreien auf. Mamu fasst sich ans Herz.
    »Ich sehe Unglück, Hunger und Tod«, flüstert der Schamane. »Doch halt. Ich sehe einen Retter.«
    Ein Raunen erklingt rings um das Feuer. »Wer ist der Retter? Einer von uns?«, fragt Tigerzahn.
    Der Schamane nickt. »Ich erkenne sein Gesicht nur ganz schwach. Aber ich glaube, es ist   …«
    »Papu!«, ruft Pfotenherz.
    Schamane Feuerblick schüttelt den Kopf. »Nein. Er ist kleiner und jünger.«
    Tigerzahn streckt die Brust heraus. Er sieht den Schamanen erwartungsvoll an.
    »Es ist   …« Der Schamane runzelt die Stirn. »Es ist   …« Der Schamane stutzt. »Es ist   …« Der Schamane zuckt mit den Schultern. Dann öffnet er die Augen, holt tief Luft
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