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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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nach Hause kam, aber voll Freude auf die besiegteGefahr zurückblickte, er dachte an seine nun durch kein Verbot gehemmten Neigungen, an seine närrische Begierde nach Lust und an die Gewißheit, so viele Tage in Sicherheit und Ruhe verleben zu können. Wenn Gott ihn so wie früher beschützen wollte, dann würde er auch wieder mit seinem alten Appetit essen, sich einige Gläschen Wein vergönnen und ein Mädchen aufsuchen, das in einer music-hall sang. Es war eine Bekanntschaft aus früheren Tagen, die er aber auf seinem Zigeunerleben quer durch die ganze Halbinsel nicht weiter fortgesetzt hatte.
    Inzwischen hatte sich der Saal mit Freunden und Anhängern Gallardos, welche den Stierkämpfer vor ihrem Mittagessen noch sehen wollten, fast ganz gefüllt. Es waren alte Verehrer, welche ihn mit einer gönnerhaften Vertraulichkeit begrüßten. Er antwortete ihnen, wobei er ihrem Namen die Anrede »Don« vorsetzte und so den traditionellen Unterschied betonte, der noch immer zwischen dem aus dem Volke emporgestiegenen Torero und seinen Bewunderern besteht. Auch andere Gäste in abgetragener Kleidung und mit blassen, vor Hunger abgezehrten Mienen betraten den Saal. Es waren Leute, welche nur den Stierkämpfern bekannt waren und deren Beruf ein Geheimnis blieb. Allein sie stellten sich pünktlich ein, wenn Gallardo auftrat und machten sich dann mit Bitten und Schmeicheleien an ihn heran, um Karten zu erhalten. Doch eine gemeinsame Begeisterung verband sie mit den anderen Herren, welche Großkaufleute oder öffentliche Würdenträger waren und die eifrig mit ihnen die Chancen des Stiergefechtes erörterten, ohne sich irgendwie durch das bettelhafte Äußere ihrer Nachbarn abgestoßen zu fühlen.
    Alle umarmten den Torero oder drückten seine Hand, wobei sie Fragen und Ausrufe an ihn richteten. Es war der erste Stierkampf im Frühjahr und die Anhänger Gallardos zeigten große Zuversicht, da sie sich an die Nachrichten erinnerten, welche sie in den verschiedenen Zeitungen über die jüngsten Erfolge ihres Helden gelesen hatten. Er war der Stierkämpfer, welcher die meisten Verträge abgeschlossen hatte. Nach der ersten Toreada zu Ostern in Sevilla, womit die Saison eröffnet wurde, reiste Gallardo von Stadt zu Stadt, um Stiere zu töten. Im August und September mußte er die Nacht im Zug und den Nachmittag im Zirkus verbringen, ohne Zeit zu haben, sich ein wenig auszuruhen. Sein Vertreter in Sevilla wurde oft halb verrückt, da er so viele Anträge erhielt, daß er nicht mehr wußte, wie er sie in die noch freie Zeit einordnen sollte. Vorgestern hatte er in Ciudad Real gekämpft und war noch im Galakleide in den Zug gestiegen, um am Morgen in Madrid anzukommen. Er hatte die Nacht, nur von Zeit zu Zeit ein wenig nickend, auf dem Sitz verbracht, den ihm gefällige Reisende abgetreten hatten, um dem Mann, der am Nachmittag sein Leben wagen sollte, ein wenig Erleichterung zu gewähren. Die Enthusiasten bewunderten seine physische Widerstandskraft und seine Tollkühnheit, mit welcher er sich auf die Stiere stürzte, wenn er ihnen den Todesstoß versetzte. »Wir werden ja heute abends sehen, was du kannst«, sagten sie mit der Überzeugung treu ergebener Anhänger. »Deine Freunde erhoffen viel von dir. Trachte nur, daß du dich so wacker hältst, wie in Sevilla.« Langsam löste sich die Schar der Bewunderer, die nach Hause eilten, auf, weil sie nachdem Mittagessen rechtzeitig in die Arena kommen wollten. Da sich Gallardo allein sah, entschloß er sich, der nervösen Spannung, die ihn beherrschte, nachgebend, auf sein Zimmer zu gehen.
    Als er aus dem Speisesaal trat und sich der Treppe zuwandte, da kam eine Frau, welche in einen alten Mantel gehüllt war, aus der Portierloge des Hotels und eilte auf ihn zu, ohne sich um die Einsprache der Kellner zu kümmern. »Juan! Mein lieber Juan! Kennst du mich nicht? Ich bin die Caracola, die Dolores des armen Lechuguero.« Gallardo lachte der alten, schwarzen, kleinen und verrunzelten Frau, welche ihn mit einem Wortschwall begrüßte und ihn mit feurigen Augen anschaute, freundlich zu. Da er gleichzeitig den Grund ihrer Lobsprüche erriet, hob er die Hand zur Weste. »Mein Sohn, seit ich wußte, daß du heute auftrittst, sagte ich mir: Suche Juan auf, denn er wird die Frau seines Kameraden nicht vergessen haben ... Wie hübsch du bist. Die Frauen laufen dir auch alle nach ... Mir geht es schlecht. Man läßt mich aus Mitleid im Gasthof Pepona dort unten, ein sehr feines Haus, komm einmal
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