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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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das angehaltene Atmen der Zuschauer zu einem lautlosen wurde, so daß das kleinste Geräusch in der Arena bis in die letzten Reihen des Zirkus drang. Alle hörten ein leichtes Krachen von Holzstäben, die aneinanderschlugen. Gallardo bog mit dem Degen die Wurflanzen, welche über den Hals herabhingen, zurück. Nach dieser Vorbereitung zum Todesstoß streckten nun alle Zuschauer den Kopf vor: »Jetzt«, sagten sie sich alle, jetzt würde er den Stier mit einem meisterhaften Stoß erledigen.
    Gallardo sprang auf den Stier los und alle Zuschauer atmeten nach dieser bangen Erwartung tief auf. Das Tier lief brüllend weg, während die Zuschauer Protestrufe und Pfiffe ausstießen. Es war wie immer. Gallardo hatte im Augenblicke des Stoßes den Kopf abgewendet und den Arm zurückgezogen. Der Degen stak in dem Halse des Stieres, der die zitternde Klinge mit einigen Bewegungen in den Sand schleuderte.
    Ein Teil des Publikums beschimpfte Gallardo. Die Sympathie, die sich der Spada am Beginn erworben hatte, war verschwunden und das alte Mißtrauen wieder hervorgetreten. Alle schienen ihre frühere Begeisterung vergessen zu haben.
    Gallardo hob den Degen auf und ging gesenkten Hauptes dem Stiere nach, ohne den Versuch zu machen, gegen diese Stimmung des Publikums, das für andere nachsichtig war, ihm aber rücksichtslos alle Schwächen nachtrug, protestieren zu wollen. In seiner Verwirrung glaubte er einen Torero neben sich zu sehen. Es mußte der Nacional sein.
    »Ruhe Juan, nur nicht den Kopf verlieren.«
    Zum Teufel mit all dem. Mußte ihm immer dasselbe passieren? Konnte er nicht mehr, wie er es früher tat, den Arm um ein Horn legen und den Degen bis in das Kreuz hineinbohren? Sollte er für den Rest des Lebens dem Publikum zum Spotte dienen?
    Er stellte sich vor den Stier hin, der ihn ruhig erwartete, als wollte er selbst sein Martyrium so schnell als möglich beenden. Er wollte dieses Mal ohne die Muleta zu Ende kommen. Man sah, wie er das rote Tuch fallen ließ und den Degen horizontal in Augenhöhe brachte.
    Die Zuschauer sprangen, wie von einem Impulse getrieben, alle auf. Während einiger Sekunden bildeten Mensch und Tier nur eine einzige Masse und bewegten sich so ein paar Schritte. Doch plötzlich flog der Torero, durch einen fürchterlichen Stoß des Stierkopfes getroffen, weit in die Arena hinaus. Der Stier senkte die Hörner und umfaßte damit den unbeweglichen Körper, den er aufhob und gleich darauf fallen ließ, um seinen Lauf fortzusetzen, während ihm der Griff des Degens, der bis ins Kreuz gedrungen war, aus dem Halse hervorstand.
    Gallardo erhob sich mühsam und der ganze Platz ertönte vom Beifall, der das frühere Unrecht gut machen sollte. Hoch, Gallardo, er war »gut« gewesen.
    Doch der Torero ließ alle diese Äußerungen der Begeisterung unbeachtet. Er hielt die Hände an den Bauch gedrückt und ging, schmerzhaft zusammengekrümmt, schwankenden Schrittes und gesenkten Hauptes weiter. Zweimal richtete er sich auf, um nach dem Ausgang zu blicken, alsfürchtete er, ihn in seinem Hin- und Herschwanken nicht zu finden.
    Plötzlich fiel er wie eine große Puppe aus Gold und Silber in den Sand. Bedienstete des Zirkus hoben ihn mit Mühe auf ihre Schultern. Der Nacional gesellte sich zu ihnen und hielt das bleiche Haupt des Toreros, dessen Augen glasig unter den Lidern hervorstarrten.
    Die Zuschauer hielten überrascht in ihrem Applaus inne, da sie nicht wußten, was geschehen war. Doch bald verbreiteten sich günstige Nachrichten, ohne daß man wußte woher. Die Leute setzten sich beruhigt nieder und wandten ihre Aufmerksamkeit dem Stiere zu, der sich trotz des Todeskampfes auf den Füßen hielt.
    Der Nacional half den anderen, seinen Herrn auf ein Bett zu legen, in das der Verwundete wie ein Sack fiel.
    Sebastian, der seinen Herrn schon oft blutig und verletzt gesehen hatte, ohne deswegen seine Ruhe zu verlieren, fühlte jetzt den Schauer der Furcht, als er ihn so leblos, wie tot, liegen sah.
    Zwei Ärzte kamen. Nachdem sie die Türe verschlossen hatten, um ungestört zu bleiben, standen sie unschlüssig vor dem leblosen Körper des Torero. Er mußte entkleidet werden. Beim Lichte, welches durch eine Lücke im Dache hereinfiel, begann Garabato die Kleider und Leibwäsche des Torero zu öffnen.
    Der Nacional konnte den Körper kaum sehen, da die Ärzte davorstanden und sich gegenseitig fragend anschauten. Es mußte ein Kollaps sein, der ihn auf der Stelle getötet hatte. Man sah kein Blut. Die Risse in
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