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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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mit spöttischen Bemerkungen oder einem verachtungsvollenSchweigen. Niemand applaudierte. Er grüßte den Präsidenten inmitten dieses eisigen Schweigens und flüchtete sich dann hinter die Barriere. Während ihm Garabato ein Glas Wasser anbot, schaute der Stierfechter auf die Logen und sah in die Augen der Doña Sol, welche ihm bis in das Versteck gefolgt waren. Was mußte sie von ihm denken? Wie würde sie in Gesellschaft ihres Freundes über ihn lachen, da sie ihn so verhöhnt sah. Was war das für eine unglückliche Idee von ihr gewesen, in den Zirkus zu kommen!
    Er blieb ruhig hinter der Barriere und wartete auf seinen zweiten Stier. Das Bein schmerzte ihn nach den Anstrengungen des Kampfes. Er war nicht mehr der alte, er spürte es selbst. Sein selbstbewußtes Benehmen und alle seine Gesten täuschten darüber nicht hinweg. Die Füße waren nicht mehr so leicht und fest wie früher, sein rechter Arm besaß nicht mehr die alte Unerschrockenheit, die ihn bis vor die Hörner des Stieres geführt hatte. Er zog sich vielmehr ganz gegen seinen Willen zurück, als beherrschte ihn der Instinkt gewisser Tiere, die sich verstecken und dadurch der Gefahr zu entgehen glauben. Die alten abergläubischen Vorstellungen waren wieder über ihn gekommen.
    »Das Glück hat mich verlassen,« dachte er, »ich habe eine Ahnung, daß mich der fünfte Stier noch mitnimmt.«
    Als der fünfte Stier in die Arena sprang, umflatterte ihn sofort der Mantel Gallardos. Doch was war das für ein Tier, es schien ganz anders zu sein als Tags vorher im Stall. Man hatte sicher die Reihenfolge vertauscht. Die Furcht sang ihr Lied in die Ohren des Torero. »Du hast kein Glück mehr. Heut wird man dich tot aus dem Zirkus tragen.«
    Trotzdem griff er den Stier an und blieb an der Seite der Lanzenreiter, denen er in gefährlichen Augenblicken dadurch Hilfe brachte, daß er den Stier auf sich abzog. Das Publikum applaudierte ihm schwach, nachdem es sich anfangs ganz still verhalten hatte.
    Als der entscheidende Augenblick kam, der den Todesstoß bringen sollte, und Gallardo sich vor den Stier hinstellte, schienen alle den Widerstreit seiner Gedanken zu erraten. Er zeigte Unentschlossenheit. Eine leise Bewegung des Stieres genügte, daß der Torero, der diese Bewegung schon für den beginnenden Angriff hielt, mit weiten Sprüngen nach rückwärts auswich, während das Publikum diese Fluchtversuche mit lautem Spott begleitete.
    Da sprang er, als wollte er um jeden Preis ein Ende machen, auf den Stier los, jedoch von der Seite, um so schnell als möglich der Gefahr zu entgehen. Eine Explosion von Beschimpfungen und gellenden Pfiffen begleitete diesen Angriff. Der Degen war nur einige Zentimeter eingedrungen und wurde von dem Stiere weit in die Arena geschleudert. Gallardo hob ihn auf und näherte sich wieder dem Tiere, das ihn im selben Augenblicke ansprang, als er zustoßen wollte. Er versuchte zu fliehen, doch seine Beine hatten nicht mehr die frühere Gelenkigkeit. Er wurde eingeholt und durch den Anprall hingeschleudert. Man lief zu seiner Hilfe herbei und Gallardo stand staubbedeckt auf. Durch einen Riß seiner Hose sah man die Unterkleidung und ein Schuh war ihm vom Fuße gefallen. Er, der das Publikum durch seine Eleganz immer für sich eingenommen hatte, stand nun in lächerlichem Aufzug da.
    Rings um ihn flatterten zahlreiche Mäntel, welche mitleidigeHände ausstreckten, um ihm Hilfe zu bringen, und sogar die anderen Toreros trieben ihm den Stier zu, damit er ihn rasch erledige. Doch Gallardo schien blind und taub. Er sah nur nach dem Stiere, um bei jeder Bewegung nach rückwärts zu springen, er hörte nicht, was ihm seine Kameraden sagten und bleichen Gesichtes stammelte er, während er die Augen zusammenkniff, wie um seine Aufmerksamkeit zu konzentrieren: »Alles weg.« Gleichzeitig aber hörte er in seinen Ohren eine Stimme, die ihm zuflüsterte: »Heute stirbst du. Das ist dein letzter Stierkampf.«
    Die Zuschauer errieten aus den ziellosen Bewegungen des Toreros, wie es um ihn stand.
    »Er traut sich nicht an den Stier heran, er hat Angst.«
    Und die feurigsten Anhänger Gallardos blieben ruhig und konnten sich diesen unerhörten Vorfall nicht erklären.
    Gallardo benützte die Hilfe der anderen Stierfechter, um den Stier mit dem Degen zu verwunden, ohne auf das Geschrei und die Einsprache des Publikums zu achten. Das Tier konnte diese Stiche kaum spüren, denn die Angst, von den Hörnern getroffen zu werden, lähmte den Arm des Torero, so
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