Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
Vom Netzwerk:
begeisterten Verehrer. Das war alles, woran er sich erinnerte. Doch der Name, wie lautete er nur? Er wußte bloß, daß er ihn duzen konnte, daß beide schon lange Zeit Freunde waren. »Welche Überraschung! Wann bist du gekommen? Wie geht es zu Hause?« Sein Bewunderer setzte sich mit der Befriedigung eines Jüngers, der in das Heiligtum des Meisters eindringen darf.Voller Freude, von ihm mit »du« angesprochen zu werden, schien er entschlossen, ihn erst im letzten Augenblicke zu verlassen. Nach jedem zweiten Wort nannte er ihn Juan, damit das ganze Haus und alle, welche draußen vorbeigingen, ihn um seine Vertraulichkeit beneiden konnten. Er war in der Frühe aus Bilbao gekommen und wollte am nächsten Morgen wieder zurückfahren, das alles, nur um Gallardo zu sehen. Er hatte seine großen Erfolge gelesen, die Saison fing ja gut an, und nun freute er sich auf den Kampf. Den Morgen hatte er bei den Stieren verbracht und dort einen schwarz-braunen Bullen bewundert, der unter der Hand Gallardos sicher ein spannendes Spiel aufführen würde.
    Doch der Meister unterbrach diese Prophezeiungen seines Verehrers mit einer gewissen Hast. »Entschuldige mich jetzt, ich muß mich anziehen.« Und er verließ das Zimmer und ging schnell zu einer kleinen Tür am Ende des Korridores. »Was soll ich herauslegen?« fragte Garabato mit einer Stimme, welche durch das Bestreben, sich unterwürfig zu zeigen, noch brüchiger klang. »Das grüne, das braune, das blaue, was du willst«, und Gallardo verschwand hinter der Tür, während der Diener, der sich nun allein sah, boshaft vor sich hinlächelte. Er kannte dieses plötzliche Verschwinden seines Herrn im Augenblick des Anziehens. Und sein Lächeln drückte Befriedigung darüber aus, daß auch die Großen und Starken die gleiche Furcht, das gleiche Bedürfnis empfanden wie er, als er seinerzeit in die Arena ging.
    Als Gallardo in sein Zimmer zurückkehrte, begegnete er einem neuen Besucher. Es war Dr. Ruiz, der bekannte Arzt,der seit dreißig Jahren den ärztlichen Dienst bei den Stierkämpfern versah und den Toreros im Falle einer Verwundung Hilfe leistete. Gallardo bewunderte ihn und hielt ihn für den ersten Vertreter des universalen Wissens, während er sich gleichzeitig freundliche Späße über seinen gütigen Charakter und sein vernachlässigtes Äußere erlaubte. Seine Bewunderung war die eines Mannes aus dem Volke, der das Wissen nur bei einem Sonderling anerkennt. Der Doktor war klein und dick, hatte ein breites Gesicht, eine etwas platte Nase und einen graumelierten Backenbart; all das verlieh seinem Aussehen eine gewisse Ähnlichkeit mit Sokrates. Wie er so dastand, schien sich sein Bauch mit jedem Wort zu bewegen, beim Sitzen ragte dieser Teil des Körpers weit über seine flache Brust hinaus. Schmutzige und abgetragene Kleider schlotterten wie Geschenke aus fremder Hand um seinen Körper, der in den Partien, die der Verdauung fröhnten, dick und fett war, jedoch dort, wo Bewegung zu leisten war, armselig und zurückgeblieben aussah. »Er ist ein guter Kerl,« sagte Gallardo, »einer, der niemals einen Peseta nimmt. Er gibt was er hat, und nimmt, was man ihm geben will.«
    Zwei große Leidenschaften füllten das Leben des Doktors aus: die Revolution und die Stiere. Eine in ihrem Wesen noch unbestimmte und furchtbare Revolution, welche noch kommen und alles Bestehende in Europa umstürzen mußte; ein dem Anarchismus nahekommender Republikanismus, den er sich nicht die Mühe nahm zu erklären, der ihm nur in seinen umstürzlerischen Verneinungen klar vor Augen schwebte. Den Stierkämpfern war er ein Vater, sie standen alle unter seinem Schutze,es genügte ein Telegramm aus irgend einem fernen Punkte der Halbinsel und unser Doktor bestieg sofort den nächsten Zug, um eines seiner »Kinder« von irgend einer Verwundung zu heilen, ohne auf eine andere Belohnung zu rechnen als auf die, welche man ihm freiwillig gab. Als er Gallardo nach so langer Abwesenheit sah, umarmte er ihn, indem er seinen schwammigen Bauch gegen den Körper des Toreros drückte.
    »Wie steht's mit der Republik, Doktor, wann kommt sie?«, fragte Gallardo mit leichtem Spott. »Der ›Nacional‹ sagt, daß sie jeden Tag ausgerufen werden kann.«
    »Was kümmert dich das, du Spaßvogel? Laß den armen ›Nacional‹ in Ruhe. Zieh dich lieber an! Was dich interessieren soll, ist etwas ganz anderes. Trachte vielmehr, deine Stiere auf den ersten Stich zu treffen. Du hast heute eine schwere Arbeit vor dir. Man
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher