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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Ortes. Glückliche Leute aus Miura! Dafür verlangte er und die anderen Stierkämpfer in den Kontrakten um tausend Pesetas mehr, wenn sie diesen Tieren entgegentreten sollten.
    Er ging noch immer nervösen Schrittes durch das Zimmer. Manchmal hielt er an, um Gegenstände zu betrachten, die ihm schon längst vertraut waren, dann ließ er sich in einen Lehnstuhl fallen, als ob ihn ein plötzlicher Schwindel erfaßt hätte. Er schaute wiederholt auf die Uhr, es war noch nicht zwei. Wie langsam verging die Zeit! Er wollte, um seine Nerven zu beruhigen, schon vor dem Augenblicke stehen, in welchem er sich anziehen und auftreten mußte. Die Menge, der Lärm, die Neugierde des Volkes, der Wunsch, sich heiter vor der öffentlichen Bewunderung zu zeigen, und vor allem die Nähe der wirklichen und greifbaren Gefahr verscheuchten sofort dieses Angstgefühl der Einsamkeit, in welcher sich der Toreador, da ihm das Stimulans der von außen kommendenSpannung fehlte, in nichts vor einem anderen furchtsamen Menschenkinde unterschied. Der Wunsch, sich zu zerstreuen, ließ ihn in der inneren Tasche seines Rockes Nachschau halten. Er zog mit seiner Brieftasche auch ein Schreiben heraus, welches einen süßen und starken Duft verbreitete. Er trat an ein Fenster, durch welches die gedämpfte Helle eines Hofes fiel, und betrachtete den Briefumschlag, den man ihm bei seiner Ankunft im Hotel überreicht hatte, wobei er die schöne Schrift der Adresse bewunderte.
    Er zog das Blatt heraus und entfaltete es, während er mit Entzücken den undefinierbaren Duft einsog, der dem Brief entströmte. Oh, diese vornehmen, vielgereisten Personen! Wie lassen sie doch ihre unnachahmliche Überlegenheit sogar in den kleinsten Einzelheiten erkennen und fühlen! Denn Gallardo parfümierte sich, als ob ihm wieder der üble Geruch des Elends seiner ersten Jahre in die Nase gestiegen wäre, in einer übertriebenen Weise. Seine Feinde spotteten diesbezüglich oft über den athletischen Burschen und gingen in ihrer Gehässigkeit so weit, ihm die natürlichen Empfindungen seines Geschlechtes abzusprechen. Seine Freunde lächelten über diese Schwäche, mußten aber oft das Angesicht abwenden, da sie nicht selten von den übermäßigen Parfümwolken, die der Stierkämpfer um sich verbreitete, wie betäubt waren. Auf seinen Reisen begleitete ihn eine Sammlung verschiedener Riechwasser und die weibischesten Essenzen salbten seinen Körper, wenn er die Arena betrat. Einige begeisterte Kokotten hatten ihm das Geheimnis ausgesuchter Mischungen feiner Parfüms mitgeteilt. Aber dieser Brief hatte einen geheimnisvollen, undefinierbaren Duft, den man nicht nachahmen konnte und der auseinem aristokratischen Körper auszuströmen schien, so daß er ihn »Frauenduft« nannte.
    Er las die Karte mit dem glücklichen Lächeln der Freude und des Stolzes. Es war nicht viel. Ein halbes Dutzend Zeilen, ein Gruß aus Sevilla, der ihm viel Glück in Madrid wünschte, ein schon vorweggenommener Glückwunsch für seinen Triumph. Dieser Brief konnte ohne jede Gefahr für die Frau, welche ihn geschrieben hatte, in fremde Hände kommen. Am Beginn stand »Freund Gallardo«, am Ende »Ihre Freundin Sol«, alles in einem kalten, höflichen Stil, die Ansprache »Sie« mit einem liebenswürdigen Ton der Überlegenheit, als ob die Worte nicht zu einem Ebenbürtigen gesprochen, sondern herablassend an ihn gerichtet wären. Der Torero konnte sich, als er den Brief las, eines gewissen Gefühls des Unbehagens, von oben herab behandelt zu werden, nicht erwehren. »Dieses Weib,« murmelte er, »nur sie kann mir in dieser kalten Form schreiben!« Doch die Erinnerung an verschwiegene schöne Stunden ließ ihn voll Befriedigung lächeln. Der kalte Stil war für den Brief, es war die Gepflogenheit der großen Damen, welche viel in der Welt herumgekommen waren. Sein Ärger verwandelte sich in Bewunderung und in seinem Lächeln zeigte sich die Genugtuung, der Stolz des Bändigers, der, wenn er die Kräfte des besiegten Tieres mit seinen eigenen vergleicht, mit dem Erfolge prahlt.
    Während Gallardo den Brief betrachtete, trat sein Diener Garabato in das Zimmer und brachte Kleider und Schachteln, welche er auf das Bett legte. Er war still und geschickt in seinen Bewegungen und begleitete den Torero schon lange Jahre als treuer Leibbursche. Er hatte in Sevillamit Gallardo die Stierkämpferlaufbahn begonnen. Doch wie seinem Gefährten der Ruhm, so waren ihm die Schattenseiten des Berufes vorbehalten geblieben.
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