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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung
Autoren: Erik Kellen
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zusammenquetschte. Die Wut raste wie ein Sturm in ihm. Sie bestand nur noch aus einer Farbe – flammendem Rot! Er spürte die Hitze in seinen Augen, bevor er sie schließen konnte, und so floss das Feuer wie eine sengende Macht durch seine Pupillen und färbte alles in ein lebendes Orangerot und wälzte sich dahin, als gäbe es nichts anderes mehr. Wie eine grässliche Höhle gähnte der verschobene Kiefer des Schmerzbringers , als Lirans Magie in dessen Mund tropfte wie die Lava eines Vulkans. Qualm von verbrannter Haut stieg in wirbelnden Säulen auf, ein ruckartiges, heftiges Gurgeln erklang, als das Wesen schlucken musste und all das Verderben mit sich nahm. Der Krieger spürte, wie sich sein Speichel blau färbte und die Magie aus ihm drängte. Ein schimmernder blauer See bildete sich am Grund seines Gaumens und wurde heiß und heißer.
    «Wer zwischen mir und meinem Anam Ċara steht, ist ein Totgeweihter », flüsterte er heiser, dann spie er dem Wesen seine Magie mitten ins Gesicht. Tiefblaue Farbe ätzte dem Schmerzbringer die Zeichen des Feuers über sein schreckensweites Antlitz, als Liran ihn losließ und ihm einen allerletzten Schubs gab. «Das ist für meine Schwester!»
    Die Kreatur kippte mit einem rudernden Arm nach hinten und ging in Flammen auf.
    Was er aber nicht bemerkt hatte, war, dass der sterbende Schmerzbringer mit der verbliebenen Klauenhand die Krallen der Eule umklammert hatte. Als er wie ein loderndes Feuer in die dahin rasende Dunkelheit verschwand, zog er diese mit sich.
    Liran schrie, dass die Sterne hätten zerbersten müssen, als die weiten, weichen Flügel aus seinem Körper gerissen wurden, sich noch kurz an seinen Rippen festhielten, als wollten sie auf ewig in diesem Käfig leben, dann aber jeden Widerstand aufgaben und sich fallen ließen. Wie betäubt sah er dem Körper des Vogels nach, der sich mitsamt des Schmerzbringers immer wieder um sich selbst drehte, rollte und dabei ebenfalls in Flammen aufging. Keuchend und entsetzt nahm er den Schatten wahr, der dieses um sich schlagende Lodern mit wilden Hieben von seinem Schild für immer erstickte. Er hörte nicht das wilde Getöse, das um ihn herum begann, das wilde Schlenkern der Maschine, als sie auf die Autobahn raste, die grellen Lichter, die seinen Körper wie Säbel kreuzten.
    Er stand nur da und sah zurück an den Ort, wo die Eule sein musste. Der Fahrtwind wehte ihm die Haare um die Ohren. Er spürte, wie sie sich an seinen Wangen verfingen. Sein bebender Puls verging lautlos in der Nacht. Die kalte, schneidende Luft, die seine Augen tränen ließen, aber innen, da fühlte er nur noch ein Loch. Wieder musste er etwas gehen lassen. Er kannte nicht einmal seinen oder ihren Namen. Warum hatte die Eule nie etwas zu ihm gesagt? So schweigsam und leise.
    Schwer atmend stieg der Krieger die Treppe hinunter, kaum noch eigenen Willen in den Beinen, legte sich neben Nilah und schloss für einen Moment die Augen. Der Raum war dunkel, er hörte ihren Körper neben sich flach und stöhnend, und ihm kamen die Tränen, als sich noch etwas anderes in seinen Körper schlich. Unbändige Verlorenheit, Hand in Hand mit einem lange nicht mehr gefühlten Licht - Sehnsucht!
    Wimmernd verbarg er all diese Gefühle in seinen Händen und ließ die salzigen Wogen genau zwischen jene Finger rinnen, die so präzise den Tod bringen konnten. Was war er eigentlich? Ein Mörder? Ein Henker? Ein lebendes Bollwerk, das Schatten bekämpfte? Ganz klein machte er sich, und dieTränen liefen über seine Lippen, die so viele Worte gesagt hatten und doch nichts verhindern konnten, aus seinen Augen, die so viel gesehen hatten und doch nichts begriffen, auf seine Hände, die so viel getan hatten und die letzten Endes doch nur voller Blut waren, weil die Lippen und die Augen versagt hatten. Ein Zerrissener war er. Wie hatte Enya es ihm einst erklärt: Es gibt Menschen, die fürchten die See und doch müssen sie diese pausenlos ansehen. Menschen, die niemanden lieben wollen und sich doch nichts sehnlicher wünschen, als jemanden zu finden, der ihr Herz versteht. Die nicht aufhören zu träumen, obwohl die Gegenwart ihnen jeden Traum unmöglich macht.
    Seine Hände begannen zu zittern. Behutsam schob er sich an Nilahs Körper. Er wollte nur noch eines – Trost. Die Tränen flossen weiter, als er seinen Arm um sie legte und daran dachte, wie er sich vor tausenden von Jahren in die Armbeuge seiner Mutter gekuschelt hatte, um ihren düsteren Geschichten zu lauschen,
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