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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung
Autoren: Erik Kellen
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sagen, mach dies und lass das sein, dann wird es schon gut werden. Nein, sie mussten immer diesen Nimbus der Unverständlichkeit wahren, wie einen alten löchrigen Mantel. Es war zum Aus-der-Haut-fahren.
    «Sprich wie ein Troll, verdammt! Ich bin nicht in Stimmung, mir Dinge anzuhören, die keiner versteht. Warum soll ich zurück? Was kümmert es Dich, wo ich bin, wo sie ist?»
    Der Troll ballte schmatzend die Faust, was vermutlich die entsprechende Geste für ein Kopfschütteln sein sollte, denn das hatte Liran schon einmal erlebt.
    «Hat Enya Dir denn gar nichts beigebracht, Du …, ah, Du bist wie Deine Mutter. Immer strammen Schrittes und die Hand ist schneller am Schwert als ein Gedanke im Kopf. Was soll ich Dir sagen, hm? Tue dies oder lass das sein und dann wird schon alles gut? Wäre Dir dann wohler zumute? Ich weiß Dinge, von denen Du nicht einmal träumen möchtest. Ich bin nicht hier, um Dich zu lenken, Fian, ich bin hier, um zu deuten. Und heute bin ich hier, um Dein Leben zu retten, denn es kommen Schmerzbringer .»
    Innerhalb eines Augenschlags nahm Dahi Witterung auf, suchte mit ihrer feinen Nase nach den Schmerzbringern – und fand sie. Nicht weit entfernt.
    «Bring das Mädchen in Sicherheit, Fian, aber vergiss auch nicht meine Worte!» Dann drehte sich die Trollschamanin um und gab ein Zeichen, worauf alle anderen Trolle ihre schweren Schilde nahmen und sich in einer Reihe zwischen den Bäumen aufbauten. Kurz dachte Liran, dass sie nicht nur die Waffen der Römer, sondern auch noch etwas anderes von ihnen genommen hatten – ihre Disziplin.
    «Übrigens: mein Name ist E´sli und, ja, ich bin eine Schamanin!» Mit diesen Worten verschwanden die Trolle und waren so plötzlich fort, wie sie gekommen waren. Liran hob den Dolch auf, wischte die Klinge an der Hose ab und steckte ihn sich in den Gürtel. Er fühlte Nilahs Körper an den seinen gedrückt.
    Nein, ich werde Deine Worte nicht vergessen , dachte er. Aber ich werde ab jetzt meinen Weg mit dem Herzen gehen, und dieses Herz gehört nur einem einzigen Menschen. Ihm werde ich folgen, solange ich lebe, atme und meine Hand schneller am Schwertknauf ist als ein Gedanke in meinem Kopf! Denn dafür bin ich doch da, ist es nicht so?
    Als er durch die letzten Bäume hindurch auf den Platz trat, den Ian erwähnt hatte, war er überwältigt von der Größe. Dies war wirklich wie eine Bucht, nur war sie aus Stein, und der Himmel, der darüber lag, war wie ein dunkles Gewand. Es war, als hätte man eine halbmondförmige, riesige Steinplatte mitten in einen Wald geworfen und sie der Einsamkeit überlassen. Die grellen Lichter dieser rastlosen Maschinen schossen in unregelmäßigen Abständen über die Straße und waren doch nur Augenblicke, in die sie ihr Dasein warfen, um es dann wieder mit sich zu nehmen.
    Gegenüber, noch hinter einer zweiten Straße, auf der die Maschinen in entgegengesetzter Richtung durch die Nacht rauschten, war das fast schwarze Grün eines Waldes zu sehen. Es schien, als laufe ein auseinandergefaltetes graues Band durch das Land. Wie hatte Ian es genannt? Autobahn. Nun, jedenfalls war es sehr laut.
    Etwa hundert Schritte entfernt bemerkte Liran einen großen, kantigen Schatten, der sich weißlich glänzend aus der Dunkelheit abhob. Als er näher heranging und immer mehr erkennen konnte, schälte sich ein wahres Ungetüm aus der Nacht. Die wie wütende Zungen vorbeizischenden Maschinen warfen immer wieder ihr flüchtiges Licht auf ein Gefährt, das ungewöhnlich groß und eckig war. Es wirkte wie ein Rammbock aus Metall, mit dem man ganze Festungen erstürmen könnte. Wie ein schlafender Körper hockte es da in der Dunkelheit und trug auf seinem Rücken – ein Schiff ! Den Körper eines Schiffes, das unwirklich über dem Boden zu schweben schien, aber nun auf dem Rücken einer sehr großen Maschine lag, wie ein gefesseltes Opfer. Was hatte ein Schiff auf dem Land zu suchen? , fragte sich der Krieger, als er trotz des Lärms, instinktiv Geräusche vermeidend, vorsichtig am Rand der Bucht weiter an das ungewöhnliche Objekt heranschlich.
     

Die, die zurückbleiben

    Im Innern des Trucks, in der engen Schlafkabine, lag ein übermüdeter Mann, der an die Decke starrte. Dort hingen die Bilder seiner Familie, die er mit kleinen Streifen von Tesafilm befestigt hatte und die ihm wie weit entfernte Sterne erschienen, weil er mitten im Niemandsland war. Er musste über fremde Straßen fahren, die er nicht mochte, und dabei vermisste er, was
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