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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung
Autoren: Erik Kellen
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Norwegern, scherte sich wenig darum, solange die fetten Prämien nur in ihren Taschen landeten.
    Ein Viertel Fahrt voraus.
    Als das Steuerruder mit einem plötzlichen Ruck in seinem Handgelenk vibrierte, sich der Bug ächzend nach Backbord absenkte, da hätte Sergei auf sein schnell pochendes Herz hören sollen, das ihn anflehte, auf der Stelle das Netz zu kappen, seine Seele zu behalten und zu dem Ort zurückzukehren, wo die Familie ihn in die Arme schließen würde. Sergei aber hörte nicht zu. Der Kapitän stoppte die Maschinen und brüllte ein paar Kommandos. Die Männer führten seine Befehle aus. Schon bald begann ein kräftiger Dieselmotor den Fang auf der Winde an die Oberfläche zu ziehen. So laut kreischte und stöhnte es, dass Sergei glaubte, die ganze Welt müsse hören, was sie hier taten. Das Maschengewebe schleifte über die dreckige Achternrampe. Die Männer standen an der Reling, routiniert und wartend. Doch je mehr Netz auf das Heck gezogen wurde, desto mehr weiteten sich ihre Augen. Sonst ein riesig geformter Tropfen voll mit Fischen, Unrat und allem, was auf dem Grund des Meeres keine Zeit mehr gehabt hatte zu entkommen, schien es nun fast leer. Nur am Ende stach ein seltsam kantiger Gegenstand hervor, der dann langsam im grellen Licht der Scheinwerfer in die Höhe gezogen wurde bis er zwei Meter über dem Schiffsboden baumelte. Der Regen trommelte auf alles nieder. Niemand ergriff das Zugseil, um das Netz zu öffnen. Etwas Regloses, Unheimliches ging davon aus. Die Matrosen traten näher, um zu begutachten, was sich dort verfangen hatte. Eine große, in Schlamm gebettete Kiste, mehr war kaum zu erkennen.
    «Lasst es langsam runter!», rief der Kapitän. Einer der Männer wollte sich gerade darum kümmern, die Winde zu bedienen, als das Netz fürchterlich zu knarren begann, sich weißlich verfärbte und riss. Der Kasten schlug mit einem ohrenbetäubenden Donnern auf das Deck und ein Zittern lief durchs ganze Schiff. Das zerrissene Netz breitete sich darum aus wie eine bizarre helle Blüte. Niemand rührte sich.
    Der zornige Regen wusch nach und nach den Schlamm ab und ließ etwas zurück, das die Männer schlucken ließ vor Aufregung.
    In der Mitte des Hecks stand ein wuchtiges Gebilde. Schwarz schimmernd und triefend war das gut ein mal zweieinhalb Meter messende Objekt. Mit vorsichtigem Abstand umrundeten die Männer das Ding. Der Kapitän richtete den Brückenscheinwerfer darauf aus. Die Kiste hatte eine handbreitdicke Deckplatte, welche über und über mit kunstvollen Gravuren überzogen war. Die Ersten fingen leise an zu jubeln, etwas Wertvolles hätten sie erwischt, vollgestopft mit reich machenden Gegenständen. Zigaretten wurden angezündet und der Qualm zerfaserte über ihnen. Doch als einer der Norweger mutig ein paar Schritte darauf zuging, hielt er unvermittelt inne. Diese Kiste spie etwas aus, so deutlich, dass der Atem des Mannes gefror und als hauchdünner Reif zu Boden rieselte. Er wich zurück. Einige schlugen das Kreuzzeichen, andere, angestachelt von der Idee eines Schatzes, gingen noch näher heran. Doch mit jedem Schritt weiter schienen sie alle Kraft aus den Muskeln zu verlieren, und es wurde ihnen mit einem Schlag so kalt, dass ihre Glieder steif wurden und ihre Haut sich schmerzhaft zu spannen begann. Erschrocken ließ nun jeder einen gehörigen Abstand zwischen sich und diesem offenbar bedrohlichen Ding. Der Kapitän hatte alles von oben beobachtet. Er wusste, dass es Zeit war, jemandem eine Nachricht zu schicken.
    «Vertäut es und lasst es in Ruhe!», schrie er hinunter und die Männer warfen Ketten über die Kiste und versuchten, sie in der hintersten Ecke des Hecks zu sichern. Einer der Finnen rutschte bei plötzlicher Dünung aus. Sein Nebenmann versuchte, ihn noch an der Kapuze zu packen, doch er schlidderte strampelnd darauf zu, dabei kreischte er voller Angst und Schmerz. Eilig warfen sie ihm Seile zu, er konnte eines ergreifen, und sie zogen ihn wieder zu sich. Die Dünung verschwand. Wie sie neben ihm knieten und ihm die Kapuze vom Gesicht zogen, war nichts Außergewöhnliches zu erkennen. Im Mannschaftsraum aber, als sie dem Bewusstlosen die Sachen auszogen, waren sie alle erschüttert. Beide Beine waren bis zu den Knien erfroren. Die Haut schwarz wie Kohle.
    Der Kapitän hatte inzwischen seine Nachricht versandt und Antwort erhalten. Während man ihm das Schicksal des Finnen schilderte, zuckte er nur mit den Schultern. Er gab die neuen Koordinaten
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