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Die Äbtissin

Die Äbtissin

Titel: Die Äbtissin
Autoren: Toti Lezea
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oder Krätze?«
    Die Äbtissin schien beleidigt.
    »Nein, Euer Hoheit. Alle unsere jungen Novizinnen erfreuen sich bester Gesundheit. Gott sei Dank! Das Leben in unserem Hause ist sehr gesund, saubere Lebensmittel, Bewegung, Arbeit, Gebet…«
    »Gewiss doch, Frau Äbtissin. Wir sind überzeugt, dass alles so ist, wie Ihr es sagt. Euer Garten gemahnt an den Garten Eden.« Und mit einem Hauch von Ironie in der Stimme setzte sie lächelnd hinzu: »Falls es im Garten Eden Gemüse gab.«
    Die Ordensfrau erwiderte das königliche Lächeln, das ihr die Ruhe wiedergab. Es war ihre größte Sorge, alles zum Gefallen ihrer großzügigen Gönnerin zu bestellen, ohne deren finanzielle Unterstützung das Leben im Kloster in der Tat äußerst schwierig gewesen wäre. Mit der gewohnten Handbewegung, mit der sie Bedienstete und einfaches Volk entließ, erklärte die Königin ihr Interesse für beendet und verlangte die andere zu sehen, María die Jüngere.
    Bevor María Esperanza den Saal verließ, warf sie einen raschen Blick auf die Herrscherin und stellte überrascht fest, dass diese sie ebenfalls ansah. Sie bemerkte etwas in ihren Augen, das sie erzittern ließ. Groll? Verachtung? Hass vielleicht? Weswegen? Sie hatten sich nie zuvor gesehen. Die große Königin, Herrscherin über die halbe Welt, und die junge Novizin, eine von vielen in den Klöstern Kastiliens, hatten nichts gemeinsam.
    Sie sah die Königin erst Jahre später wieder, als sie gerade ihr Gelübde abgelegt hatte und bereits den schwarzen Habit der Augustinerinnen trug.
    Doña Isabella weilte erneut für einige Tage in Madrigal, doch diesmal wohnte sie im Kloster. Sie floh die Hitze des Sommers, und vielleicht floh sie auch vor sich selbst und den Gespenstern, die sie quälten. Es war das Jahr des Herrn 1499. Das Jahrhundert neigte sich dem Ende zu und ein neues Jahrhundert sah den großen Veränderungen entgegen, die sich in den letzten Jahren ereignet hatten. Ferdinand und Isabella hatten Kolumbus ausgesandt. Man hatte einen neuen Kontinent entdeckt, und das Gold, das von dort kam, begann die königlichen Truhen zu füllen. Granada war erobert, die Juden waren ebenso wie die Anhänger Mohammeds aus dem Land vertrieben worden, und der katholische Glaube hatte auch den letzten Winkel des Königreichs erreicht. So ging in Erfüllung, was die Königin dem ersten Großinquisitor Fray Tomás de Torquemada einst in Arévalo versprochen hatte, als sie noch ein junges Mädchen und er ihr Beichtvater gewesen war. Hospitäler, Universitäten und Schulen waren entstanden. Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón wurden in der ganzen zivilisierten Welt geachtet. Doch die Zukunft der beiden Königreiche war ungewiss. Die Thronerbin, Doña Johanna, zeigte Anzeichen von Wahnsinn, eine Krankheit, an der auch ihre Großmutter mütterlicherseits, Isabella von Portugal, gelitten hatte.
    María war erschüttert über die Erscheinung der Königin. Diese mochte um die fünfzig sein, doch sie wirkte wie eine hinfällige Greisin. Ihre Bewegungen waren unsicher, sie war dick, hatte große Tränensäcke unter den Augen, den Schatten eines grauen Schnurrbarts über der Oberlippe und einen bitteren Zug um den Mund. Das Haar trug sie unter einer weißen Haube zusammengefasst, die von einem dünnen Schleier bedeckt war; einige graue und weiße Strähnen lugten achtlos hervor. Sie hatte ihre prächtige Kleidung abgelegt, die vor Zeiten den Zorn ihrer Beichtväter hervorgerufen hatte. Die Königin hatte stets eine Schwäche für aufwändig verzierte Gewänder gehabt, für goldbestickten Damast, großzügige Dekolletes, weite Ärmel und goldene, mit erbsengroßen Edelsteinen und Perlen besetzte Geschmeide. Diesmal trug sie ein dunkelgrünes, wollenes Kleid mit einem bestickten, bis zum Hals geschlossenen Hemd. Ihr einziger Schmuck bestand in einem kostbaren Kreuz mit der Muschel des Ordens der Jakobsritter darunter, welche die beiden Enden des Schleiers zusammenhielt. Sie wirkte sehr verändert, ihr Blick jedoch war derselbe geblieben.
    Sie hasst mich immer noch.
    Wenn María an ihr Gespräch mit der Königin zurückdachte, schauderte es sie noch immer. Damals war sie zweiundzwanzig Jahre alt gewesen und hatte die Kunst des Lesens und der Kalligraphie erlernt; sie konnte eine Unterhaltung in Latein führen und sprach ein wenig Französisch; die musikalische Komposition barg keine Geheimnisse für sie, aber vor allem beherrschte sie den Umgang mit Pinsel und Feder. Bereits seit einiger
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