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Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer

Titel: Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
Autoren: Deborah Crombie
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* Prolog
     
    »Gib acht, daß du nicht ausrutschst!« Mit ängstlich besorgtem Gesicht strich Julia die feinen Strähnen dunklen Haars zurück, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten. Die Luft war schwül und schwer, so dicht wie Watte. Feuchtigkeit glänzte auf ihrer Haut, und von den Bäumen tropfte es auf den durchnäßten Boden unter ihren Füßen. »Wir kommen bestimmt zu spät zum Tee, Matty. Und du weißt, was Vater sagt, wenn du nicht rechtzeitig zum Üben mit deinen Hausaufgaben fertig wirst.«
      »Ach, hör doch auf, Julia«, entgegnete Matthew, ein Jahr jünger als seine Schwester, blond und stämmig. Er hatte die schmale, dunkle Julia im Lauf des letzten Jahres körperlich überflügelt, und das hatte ihn noch selbstherrlicher gemacht. »Du bist eine richtige alte Glucke. >Matty, gib acht..., Matty, paß auf ...<«, äffte er sie spöttisch nach. »Als könnte ich mir noch nicht mal selbst die Nase putzen.« Die Arme in Schulterhöhe ausgebreitet, balancierte er auf einem umgefallenen Baumstamm am Ufer des angeschwollenen Bachs. Seine Schultasche lag achtlos hingeworfen im Schmutz.
      Die eigenen Bücher fest an ihre Brust gedrückt, wippte Julia ungeduldig auf den Fußballen. Geschieht ihm ganz recht, wenn Vater ihn ausschimpft. Aber das Gewitter, selbst wenn es heftig war, würde sich rasch verziehen und alles wieder seinen normalen Gang gehen - wobei >normal< bedeutete, daß sich alle benahmen, >als ginge mit Matthew die Sonne auf und unter<, wie Plummy zu sagen pflegte, wenn sie besonders verärgert über ihn war.
      Mit einer kleinen Grimasse stellte Julia sich vor, was Plummy sagen würde, wenn sie seine schmutzige Schultasche und die verdreckten Stiefel sah. Aber ganz gleich, ihm wurde immer alles verziehen; Matthew nämlich besaß eine Gabe, die ihre Eltern über alles schätzten. Er konnte singen.
      Er sang mühelos, leicht wie ein Hauch lösten sich die klaren reinen Soprantöne von seinen Lippen. Und beim Singen verwandelte er sich. Der tolpatschige Zwölfjährige mit den Zahnlücken schien sich zu verklären, wenn er sich voll ernster Anmut auf seinen Gesang konzentrierte. Sie pflegten sich nach dem Tee im Wohnzimmer zu versammeln, wo ihr Vater geduldig mit Matthew die Feinheiten der Bachkantate übte, die er zu Weihnachten mit dem Chor singen sollte, während ihre Mutter laut und häufig unterbrach, um Kritik oder Lob anzubringen. Julia schien es, als gehörten diese drei einer verzauberten kleinen Welt an, zu der ihr aufgrund eines Versehens bei ihrer Geburt oder einer unerklärlichen Laune Gottes der Zutritt auf immer verwehrt bleiben würde.
      Die Kinder hatten am Nachmittag ihren Bus verpaßt. Julia hatte in der Hoffnung auf ein Gespräch mit ihrer Zeichenlehrerin zu lange gewartet. Vollbeladen war der Bus an ihnen vorbeigerumpelt und hatte dunkle Schlammspritzer auf ihre Beine geschleudert. Sie mußten zu Fuß nach Hause gehen, und auf dem Weg quer über die Felder wurden ihre Schuhe so schwer vom Lehm, daß sie Mühe hatten, die Füße zu heben, und sie sich fühlten wie Besucher von einem leichteren Planeten. Als sie den Wald erreichten, faßte Matthew Julia bei der Hand und zog sie rutschend und schlitternd durch die Bäume den Hang hinunter zum Bach in der Nähe ihres Hauses.
      Fröstelnd blickte Julia auf. Der Tag hatte sich merklich verdunkelt, und sie fürchtete, auch wenn jetzt im November die Tage deutlich kürzer waren, das würde neuen Regen bedeuten. Seit Wochen gab es jeden Tag schwere Regenfälle. Scherze über die vierzig Tage und die vierzig Nächte hatten sich längst totgelaufen; jetzt folgte auf die Blicke zum düsteren Himmel nur noch schweigendes und resigniertes Kopfschütteln. Hier, in den Kreidehügeln nördlich der Themse, sickerte das Wasser unablässig aus dem durchtränkten Boden in die bereits überlasteten Flüsse und Bäche.
      Matty hatte seinen Seiltänzerakt auf dem umgestürzten Baumstamm beendet; er hockte jetzt am Bachufer und stocherte mit einem Stock im Wasser herum. Der Wasserlauf, bei normalem Wetter ein trockener Graben, war jetzt bis zu den Uferböschungen gefüllt, das brodelnde Wasser so trübe wie milchiger Tee.
      Julia, die immer ärgerlicher wurde, sagte: »Komm jetzt endlich, Matty. Bitte!« Ihr Magen knurrte. »Ich hab Hunger. Und kalt ist mir auch.« Sie drückte ihre Bücher fester an ihre Brust. »Wenn du nicht kommst, geh ich ohne dich.«
      »Schau mal, Julia!« Unbeeindruckt von ihrem Drängen, wies
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