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Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant
Autoren: Robert Louis Stevenson
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der Fall; die gute Hälfte von dem, was ihm nach der Teilung mit Herrn Raeburn übriggeblieben, war bei seinem Sturz aus den Taschen gefallen und lag wieder glitzernd auf der Erde. Er segnete sein Geschick, da das Mädchen so schnell den Verlust bemerkt hatte, und freute sich dieses Glücks im Unglück. Aber ach! Als er sich bückte, seine Schätze aufzuheben, machte der Strolch einen plötzlichen Angriff,warf Harry und das Mädchen über den Haufen, raffte schnell zwei Handvoll Diamanten auf und rannte mit unglaublicher Behendigkeit die Straße hinunter.
    Sobald Harry wieder auf den Füßen stand, jagte er, laut rufend, hinter dem Missetäter drein, aber dieser war schneller und hatte außerdem den Vorteil der größeren Vertrautheit mit der Gegend, so daß der Verfolger bald jede Spur des Flüchtigen verloren hatte.
    In tiefster Verzweiflung kehrte Harry auf den Schauplatz seines letzten Unglücks zurück, wo das Mädchen noch immer seiner harrte und ihm seinen Hut und den Rest der Edelsteine wieder zustellte. Harry dankte ihr herzlich, und da ihm jetzt jeder Sinn für das Sparen fehlte, ging er zum nächsten Droschkenstand und ließ sich unmittelbar nach dem Eaton-Platz fahren.
    Bei seiner Ankunft schien im Hause einige Verwirrung zu herrschen, wie wenn sich eine Katastrophe in der Familie zugetragen hätte; die Dienerschaft steckte die Köpfe zusammen und gab sich wenig Mühe, beim Anblick der zerlumpten Kleidung des Sekretärs ihre Heiterkeit zu unterdrücken. Er ließ die spöttischen Blicke und Bemerkungen mit möglichster Würde von sich abprallen und begab sich sofort in den Damensalon. Als er die Tür öffnete, bot sich ihm ein sonderbares, unheilverkündendes Schauspiel: Der General, seine Frau und – sollte man es glauben? – Karl Pendragon standen dicht beisammen und besprachen ernst und feierlich einen wichtigen Gegenstand. Harryerkannte sofort, daß sich für ihn wenig Gelegenheit zu Auseinandersetzungen bieten werde – offenbar hatte man dem General ein offenes Geständnis von dem beabsichtigten Anschlag auf seine Tasche und dem unglücklichen Ausgang des Unternehmens abgelegt, und sie hatten alle drei gemeinsame Sache gegen die gemeinsame Gefahr gemacht.«
    »Dem Himmel sei Dank!« rief Frau von Vandeleur, »da ist er! Die Putzschachtel, Harry, die Putzschachtel!«
    Aber Harry stand schweigend und mit niedergeschlagenen Augen vor ihnen.
    »Sprechen Sie!« schrie sie. »Sprechen Sie! Wo ist die Putzschachtel?«
    Und die Männer wiederholten mit drohenden Handbewegungen die gleiche Frage.
    Harry zog eine Handvoll Edelsteine aus seiner Tasche; er war sehr bleich.
    »Das ist alles, was übrig ist,« sagte er. »Ich rufe den Himmel zum Zeugen, daß es nicht meine Schuld ist; und wenn Sie Geduld haben wollen, so werden, wenn auch einige, fürchte ich, verloren bleiben, die andern sicher wiedergewonnen werden.«
    »Ach!« rief Frau von Vandeleur, »alle unsere Diamanten sind hin, und meine Toilettenschulden belaufen sich auf neunzigtausend Pfund!«
    »Gnädige Frau,« sagte der General, »Sie hätten mit Ihrem eignen Bettel den Rinnstein pflastern, Sie hätten fünfzigfach so hohe Schulden machen, Sie hätten mir das Diadem und den Ring meiner Mutter nehmen können, und ich hätte mich durch die unsfesselnden Bande doch vielleicht noch bewegen lassen, Ihnen schließlich zu verzeihen. Aber Sie haben den Diamanten des Rajahs genommen – das Auge des Lichts, wie ihn der Orient poetisch nennt –, den Stolz von Kaschgar! Sie haben mir den Diamanten des Rajahs genommen,« schrie er mit lauter Stimme und erhobenen Händen, »und alles, alles ist aus zwischen uns!«
    »Glauben Sie mir, General Vandeleur,« erwiderte sie, »das sind wohl die angenehmsten Worte, die ich je aus Ihrem Munde vernommen habe, und sind wir auch ruiniert, so möchte ich mich doch fast des Wechsels freuen, der mich von Ihnen frei macht. Sie haben mir oft genug vorgehalten, ich hätte Sie nur um des Geldes willen geheiratet. Ich sage Ihnen aber, ich habe diesen Handel allezeit bitter bereut, und sollte die Heirat noch einmal stattfinden können, und Sie besäßen einen Diamanten, größer als Ihr Kopf, so würde ich selbst meiner Kammerfrau eine so widerwärtige und unheilvolle Verbindung widerraten. Was Sie betrifft, Herr Hartley,« fuhr sie, zu dem Sekretär gewendet, fort, »so haben Sie Ihre kostbaren Eigenschaften in diesem Hause zur Genüge dargetan. Wir haben uns nun völlig überzeugt, daß Ihnen Mannhaftigkeit, Verstand und
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