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Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Hartley, wenn ich fragen darf? Ich bin nicht der Mann, dem's auf eine Brosche mehr oder weniger ankommt.«
    »Aber,« rief Harry, »was Sie mir vorschlagen, ist ganz unmöglich. Die Edelsteine sind nicht mein, und ich kann mit niemand auf der Welt und in keinem Verhältnis teilen, was einem andern gehört.«
    »Sie gehören Ihnen nicht, was?« entgegnete Raeburn. »Und Sie können sie mit niemand teilen, wie?Gut, das kann mir nur leid sein, denn dann muß ich Sie zur Polizei führen. Zur Polizei – denken Sie,« fuhr er fort, »denken Sie an die Schande für Ihre alten Eltern, denken Sie,« fügte er hinzu und faßte Harry an der Hand, »an die Kolonien und den Tag des Gerichts!«
    »Ich kann's nicht ändern,« jammerte Harry. »Es ist nicht meine Schuld. Sie wollen nicht mit mir zum Eaton-Platz kommen.«
    »Nein,« erwiderte der Mann, »ich will nicht, das ist gewiß. Und meine Meinung geht dahin, mit Ihnen diesen Tand hier zu teilen.«
    Bei diesen Worten drehte er plötzlich das Gelenk des jungen Mannes kräftig herum.
    Harry konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, und der Angstschweiß brach ihm aus allen Poren des Gesichts. Vielleicht schärften Schmerz und Schreck seine Verstandeskräfte, jedenfalls erschien ihm die Sachlage auf einmal in einem andern Lichte; er sah, daß nichts weiter übrigblieb, als auf den Vorschlag des Schurken einzugehen und darauf zu rechnen, er werde unter günstigeren Verhältnissen, und nachdem er sich selbst von jedem Verdacht gereinigt hätte, das Haus wieder auffinden und die Herausgabe der entwendeten Juwelen erzwingen können.
    »Ich bin's zufrieden,« sagte er.
    »Ein Lämmchen seh' ich hier,« höhnte der Gärtner. »Doch dacht' ich wohl, Sie würden schließlich Ihr wahres Interesse erkennen. Die Putzschachtel,« fuhr er fort, »werde ich mit meinem Kehricht verbrennen; neugierige Leute könnten sie mal wieder erkennen.Und nun nehmen Sie Ihre Geschmeide zusammen und stecken sie in Ihre Tasche!«
    Harry befolgte die Weisung, während Raeburn ihn beobachtete und, wenn seine Gier sich am glänzenden Gefunkel eines Edelsteins besonders entzündete, ein Juwel nach dem andern vom Teil des andern wegnahm und seinem zufügte.
    Als dieses Geschäft beendet war, gingen beide zur vordern Haustür, die Raeburn vorsichtig öffnete, um auf die Straße hinauszuspähen. Offenbar ließ sich kein Mensch auf der Straße sehen, denn plötzlich packte Raeburn seinen Gast am Nacken, drückte ihn zur Erde, so daß er nur die Straße und die Türstufen vor den Häusern sehen konnte, und stieß ihn mit Gewalt anderthalb Minuten vor sich her, die eine Straße hinunter und die andere hinauf. Harry hatte drei Ecken gezählt, bis der Strolch seine Hand los ließ und mit dem Ruf: »Nun fort mit dir!« den jungen Mann durch einen wohlgezielten kunstgerechten Fußtritt ein gutes Stück geradeaus fliegen ließ.
    Als sich Harry, halbbetäubt und stark aus der Nase blutend, wieder aufraffte, war von Raeburn nichts mehr zu sehen. Im ersten Augenblick war der Sekretär so von Zorn und Schmerz überwältigt, daß ihm ein Tränenstrom aus den Augen schoß und er schluchzend mitten auf der Straße stehenblieb.
    Nachdem sich seine Aufregung etwas gelegt hatte, fing er an, sich umzuschauen und die Namen der Straßen zu lesen, an deren Kreuzung er vom Gärtner so schändlich verlassen worden war. Er befand sichnoch in einer einsamen Gegend des westlichen London mitten unter Landhäusern und großen Gärten. Er bemerkte aber an einem Fenster ein paar Personen, die offenbar Zeugen seines Mißgeschicks gewesen waren, und im nächsten Augenblick kam auch ein Mädchen aus dem Hause gelaufen und bot ihm ein Glas Wasser. Zugleich näherte sich ihm von der andern Seite ein schäbiger Strolch, der in der Nähe herumgelungert hatte.
    »Armer Mensch,« sagte das Mädchen, »wie schändlich hat man Sie behandelt. Ihre Knie sind zerschunden und Ihre Kleider zerfetzt! Kennen Sie den Unhold, der Sie so mißhandelt hat?«
    »Ja,« rief Harry, den das Wasser etwas aufgefrischt hatte; »ich will ihn schon trotz seiner Vorsichtsmaßregeln ausfindig machen und werde es ihm heimzahlen, darauf können Sie sich verlassen.«
    »Kommen Sie lieber ins Haus und lassen sich waschen und abbürsten,« fuhr das Mädchen fort. »Meine Herrin nimmt Sie wohl auf, dessen können Sie sicher sein. Und hier haben Sie Ihren Hut. Aber um des Himmels willen,« schrie sie auf, »Sie haben ja Diamanten über die ganze Straße gestreut.«
    Das war in der Tat
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