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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein
Autoren: Fred Vargas
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gewonnen und hat nichts einen Sinn. Er bestimmt den Sieg der Trumpfhand, auf ihm ruht das gesamte Spiel.«
    »Logisch«, sagte Danglard.
    »Und dieser wichtige, kostbare Stein wird ein weißer Drache sein. Aber der in seiner Vollendung höchste weiße Drache, die Trumpfhand schlechthin. Der Blitz, das gleißende Licht. Er selbst wird es sein, Danglard. Der Dreizack, indem er Vater und Mutter in einem perfekten Bild-Dreier ergänzt, der aus drei Spielsteinen besteht, wenn das Werk erst einmal vollendet ist.«
    »Wird er sich aufspießen? Mit dem Dreizack?« fragte Danglard stirnrunzelnd.
    »Nein. Sein natürlicher Tod wird die Hand beschließen. Das findet sich auch in Ihrer Tonaufzeichnung, Danglard, da sagt er es. Selbst im Gefängnis, selbst im Grab wird mir dieser letzte Stein nicht entkommen.«
    »Aber er muß seine Opfer doch mit diesem verfluchten Dreizack umbringen«, entgegnete Danglard.
    »Dieses hier nicht. Der Richter ist der Dreizack.«
     
    Adamsberg warf sich wieder auf die Rückbank und schlief urplötzlich ein. Sanscartier blickte ihn erstaunt an.
    »Passiert ihm das oft, daß er einfach so, mit einem Knitts, einschläft?«
    »Wenn er sich langweilt oder wenn etwas ihn stark erschüttert hat«, erklärte Danglard.

63
     
    Adamsberg grüßte zwei ihm unbekannte Bullen, die Camilles Treppenabsatz bewachten, und zeigte ihnen seinen Ausweis – noch immer auf den Namen Denis Lamproie.
    Er drückte auf die Klingel. Den Tag zuvor hatte er damit verbracht, in Einsamkeit und einer ungeheuren Benommenheit wieder zum Leben zu erwachen, aber es war ihm schwergefallen, den Kontakt zu sich selbst wiederherzustellen. Nach diesen sieben Wochen, in denen die Himmelswinde über ihn hinweggetost waren, lag er nun auf den Sand geworfen, zerschlagen, durchnäßt und auch ein wenig überrascht, und die Wunden, die der Dreizack gerissen hatte, hatten sich geschlossen. Eins aber wußte er, er mußte Camille sagen, daß er nicht getötet hatte. Zumindest das. Und falls er eine Möglichkeit dazu fand, mußte er sie wissen lassen, daß er den Kerl mit den Hunden aufgespürt habe. Er fühlte sich unwohl mit seiner Mütze unterm Arm, seiner Biesenhose, seiner Jacke mit den silberverzierten Schulterstücken und der Medaille im Knopfloch. Wenigstens bedeckte die Mütze die Tonsur.
    Camille öffnete unter dem Blick der beiden Polizisten. Sie bedeutete Ihnen, daß sie den Besucher kannte.
    »Zwei Bullen überwachen mich ununterbrochen«, sagte sie und schloß die Tür, »und ich kann Adrien nicht erreichen.«
    »Danglard ist auf der Präfektur. Er schließt gerade eine umfangreiche Akte ab. Die Bullen werden dich noch mindestens zwei Monate lang bewachen.«
    Während er hin und her lief im Atelier, gelang es Adamsberg annähernd, seine Geschichte zu erzählen, wobei er Noëlla zu umgehen versuchte und auf diese Weise schon wieder die Wabenzellen durcheinanderbrachte. Mitten in seinem Bericht unterbrach er sich.
    »Ich habe auch diesen Kerl mit den Hunden aufgespürt«, sagte er.
    »Gut«, sagte Camille nach einer Weile. »Wie findest du ihn?«
    »Wie den davor.«
    »Es ist schön, daß er dir gefällt.«
    »Ja, so ist es einfacher. Wir werden uns die Hand geben können.«
    »Zum Beispiel.«
    »Ein paar Worte wechseln, von Mann zu Mann.«
    »Auch das.«
    Adamsberg nickte und brachte seinen Bericht zu Ende, Raphaël, die Flucht, die Drachen. Er gab ihr die Spielanleitung zurück, bevor er ging, und schloß behutsam die Tür hinter sich. Das kleine Geräusch, als sie einrastete, versetzte ihm einen Stich. Jeder für sich, lebten sie auf getrennten Erdschollen zu beiden Seiten dieser Holzplatte, die er mit seinen eigenen Händen verriegelt hatte. Aber wenigstens ließen seine beiden Uhren nicht voneinander, die wie in heimlicher Paarung an seinem linken Handgelenk leicht gegeneinanderschlugen.

64
     
    Da standen sie alle vorschriftsmäßig in Uniform in den Räumen der Brigade. Danglard ließ seinen Blick zufrieden über die ungefähr hundert Personen schweifen, die im Konzilsaal versammelt waren. Im Hintergrund war für die Rede des Divisionnaire ein Podium hergerichtet worden, Dienstverhältnis, Glückwünsche, Anheften des neuen Rangabzeichens. Worauf seine eigene Rede folgen würde, Danksagungen, humoristische Einlagen und Gefühl. Danach Umarmungen mit allen Kollegen, allgemeine Entspannung, Fressen, Getränke und Lärm. Er beobachtete aufmerksam die Tür, wartete darauf, daß Adamsberg eintrat. Es war durchaus möglich, daß der
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