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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein
Autoren: Fred Vargas
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von Ihnen bereits Besitz ergriffen. Ich irre mich doch nicht?«
    »Nein.«
    »Ich warne Sie also für die Zukunft.«
    Laliberté faßte Brézillon an der Schulter.
    »Brauchst nichts zu fürchten«, sagte er zu ihm. »Solch einen Satansbraten wie seinen Dämon gibt’s nur einmal.«
    Verlegen machte sich der Divisionnaire aus der großen Hand des Surintendant frei und entschuldigte sich. Das Podium wartete auf ihn.
    »Langweilig wie der Tod, dein Boß«, kommentierte Laliberté verächtlich. »Der redet dermaßen hochtrabend und steif, als hätte er ’n Stock im Arsch. Ist der immer so?«
    »Nein, manchmal drückt er seine Kippe auch mit dem Daumen aus.«
    Entschlossenen Schritts kam Trabelmann auf ihn zu.
    »Schluß mit Ihrer Kindheitserinnerung«, sagte der Commandant und gab ihm die Hand. »Es kommt vor, daß auch Prinzen Feuer speien.«
    »Schwarze Prinzen.«
    »Schwarze Prinzen, wahr und wahrhaftig.«
    »Danke, daß Sie gekommen sind, Trabelmann.«
    »Tut mir leid wegen des Straßburger Münsters. Ich habe mich ganz offensichtlich geirrt.«
    »Sie müssen gar nichts bedauern. Es hat mich auf der ganzen Reise begleitet.«
    Beim Gedanken an das Münster bemerkte Adamsberg auf einmal, daß seine Menagerie den Ort inklusive Glockenturm, obere Fenster, untere Fenster und Portal verlassen hatte. Die Viecher waren an ihren angestammten Platz zurückgekehrt, Nessie in sein Loch, die Drachen in die Märchen, die Labradors in die Phantasie, der Fisch in seinen rosafarbenen See, der Ringelgänseboß auf den Ottawa River und das Drittel vom Commandant in sein Büro. Das Münster war wieder das reine Juwel gotischer Baukunst, das sich ungehindert und sehr viel höher als er in die Wolken erhob.
    »Einhundertzweiundvierzig Meter«, sagte Trabelmann und nahm ein Glas Champagner. »Das kann keiner erreichen. Weder Sie noch ich.«
    Und schon brach Trabelmann in Gelächter aus.
    »Außer in den Märchen«, fügte Adamsberg hinzu.
    »Natürlich, Kommissar, natürlich.«
     
    Als die Reden gesprochen waren und man Danglard die Medaille überreicht hatte, füllte sich der Konzilsaal mit Herzlichkeit und Diskussionen, mit Stimmengewirr und Rufen, noch beflügelt durch den Champagner. Adamsberg begrüßte nacheinander die sechsundzwanzig Beamten seiner Brigade, die seit seiner Flucht mit angehaltenem Atem zwanzig Tage lang verharrt hatten, ohne daß einer von ihnen geschwankt hätte. Er hörte die Stimme von Clémentine, um die sich Brigadier Gardon, Josette, Retancourt – auf Schritt und Tritt verfolgt von Estalère – und Danglard geschart hatten, wobei letzterer stets ein Auge auf den Champagner in den Gläsern hatte, um sofort nachzufüllen, sobald er meinte, er ginge zur Neige.
    »Hatte ich nicht recht, als ich sagte, daß dieses Gespenst sich ziemlich gut festkrallt? Sie war’n das also, meine Kleine«, fügte Clémentine, an Retancourt gewandt, hinzu, »die ihn unter Ihrem Rock vor den Polypen versteckt hat? Wieviel warn’s denn?«
    »Drei, auf sechs Quadratmetern.«
    »Na schön. Aber ein Jungchen wie das hier hebt man wie eine Feder hoch. Ich sag ja immer, die einfachsten Ideen sind oft die besten.«
    Adamsberg lächelte, und Sanscartier trat wieder zu ihm.
    »Criss, es macht Freude, das alles hier mit anzusehen«, sagte Sanscartier. »Sind ja alle mächtig fein angepellt hier, was? Und du machst ’nen Eindruck in deiner Montur. Was bedeuten eigentlich diese Silberblätter auf deinen Schulterstücken?«
    »Kein Ahorn. Das ist Eiche und Ölbaum.«
    »Und was bedeuten sie?«
    »Weisheit und Frieden.«
    »Nimm’s mir nicht krumm, aber ich finde nicht unbedingt, daß das zu dir paßt. Inspiration fände ich besser, und ich sag das nicht, damit du dich wie ’n Oberprotz fühlst. Nur gibt’s eben keine Baumblätter, die das darstellen.«
    Sanscartier kniff die Augen zusammen auf der Suche nach einem Symbol für die Inspiration.
    »Gras«, schlug Adamsberg vor. »Was hältst du von Gras?«
    »Oder Sonnenblumen? Aber das sähe albern aus auf den Schultern eines Cochs.«
    »Meine Intuition ist zuweilen die reinste Schiete, wie du sagen würdest. Unkraut.«
    »Gibsta denn so was?«
    »Das gibt’s oft. Und es kommt sogar vor, daß sie sich fürstlich die Finger im Zwirner zerhäckselt. Ich hab einen fünf Monate alten Sohn, Sanscartier, und hab’s erst vor drei Tagen begriffen.«
    »Criss, hast du etwa das Schiff verpaßt?«
    »Vollkommen.«
    »War sie’s, die dich auf die Weide geschafft hat?«
    »Nein, ich.«
    »Und du
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