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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein
Autoren: Fred Vargas
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Michaël wußte gar nicht, daß es existierte, und hat folglich auch nicht danach gesucht.«
    »Was hatten Sie denn im Küchenschrank zu tun?«
    »Ich suchte was zum Nachdenken.«
    Der Kommissar war glücklich, daß der Capitaine seinen Wacholderschnaps gefunden hatte, und nickte zustimmend.
    »Er hat auch seinen Mantel bei Ihnen gelassen«, fügte Danglard hinzu. »Ich habe zwei Haare vom Kragen abgesammelt, während Sie schliefen.«
    »Sie haben ihn doch nicht weggeworfen? Seinen schwarzen Mantel?«
    »Warum? Hängen Sie daran?«
    »Ich weiß nicht. Schon möglich.«
    »Ich hätte lieber den Teufel selbst zu fassen gekriegt als seine abgelegten Klamotten.«
    »Danglard, warum hat er mich des Mordes beschuldigt?«
    »Damit Sie leiden, und vor allem natürlich, damit Sie sich erschießen würden.«
    Adamsberg nickte. Die Perversitäten des Teufels. Er wandte sich an den Sergent.
    »Die sechs Kubikmeter, Sanscartier, die hast du doch nicht allein abgesucht?«
    »Von da ab habe ich Laliberté informiert. Ich hatte die Aussage des Nachtwächters und die DNA vom Blutstropfen. Criss, er ist blau angelaufen, als ich ihm die Lügenmärchen über meine Krankheiten verklickert hab. Ich kann dir versichern, daß er gewaltig rumgepöbelt und mir ’ne hübsche Standpauke gehalten hat. Er hat mich sogar beschuldigt, mit dir unter einer Decke zu stecken und dir beim Ausbüxen geholfen zu haben. Man muß schon sagen, daß ich fürstlich den Finger zwischen Baum und Rinde gelegt hatte. Aber ich hab ihn versucht zu überzeugen, und schließlich ist es mir auch gelungen, daß er sich gemäßigt hat im Ton. Denn für den Boß, das weiß du ja, zählt vor allem Akkuratesse. Also hat er sich wieder eingekriegt und kapiert, daß da irgendwas nicht zusammenpaßte. Und plötzlich hat er Himmel und Menschen in Bewegung gesetzt und die Probeentnahmen genehmigt. Und die Anklage zurückgezogen.«
    Adamsberg sah abwechselnd von Danglard zu Sanscartier. Zwei Männer, die ihn nicht einen Zentimeter hatten fallenlassen.
    »Such bloß nicht nach Worten«, sagte Sanscartier. »Du kommst ja von sehr weit zurück.«
     
    Der Wagen kam auf den verstopften Zugangsstraßen nach Paris nur mühsam voran. Adamsberg hatte sich nach hinten gesetzt, er lag, den Kopf an die Scheibe gelehnt, die Augen halb geschlossen, nahezu ausgestreckt auf der Rückbank und betrachtete aufmerksam die vertraute Landschaft, die an ihm vorüberzog, sowie die Nacken der beiden Männer, die ihn da herausgeholt hatten. Vorbei die Flucht von Raphaël. Vorbei die eigene. Diese Neuigkeit und die Erleichterung waren derart überwältigend, daß sich eine lähmende Müdigkeit auf ihn legte.
    »Ich kann es gar nicht glauben, wie du dir diese Geschichte mit dem Mah-Jongg zusammengereimt hast«, sagte Sanscartier zu ihm. »Laliberté war total verblüfft, er hat gesagt, das wär Spitzenarbeit gewesen. Übermorgen erzählt er’s dir selbst.«
    »Er kommt?«
    »Es ist normal, daß du kein Gefühl mehr dafür hast, aber übermorgen findet die Beförderung deines Capitaine statt. Entsinnsta dich? Dein Chef, Brézillon, hat den Surintendant eingeladen, um das Ding wieder einzurenken.«
    Adamsberg hatte Mühe, zu begreifen, daß er noch an diesem Tag, wenn er wollte, ins Büro gehen konnte. Daß er ohne seine Polarmütze Spazierengehen, die Tür aufdrücken und guten Tag sagen konnte. Hände schütteln konnte. Brot kaufen konnte. Sich auf die Brüstung am Seineufer setzen konnte.
    »Ich suche nach einer Möglichkeit, wie ich dir danken kann, Sanscartier, und ich finde keine.«
    »Keine Sorge, ist schon passiert. Ich gehe wieder in den Außendienst nach Toronto zurück, Laliberté hat mich zum Inspektor ernannt. Deinem Esti von Besäufnis sei’s gedankt.«
    »Aber der Richter ist auf und davon«, sagte Danglard düster.
    »Er wird in Abwesenheit verurteilt werden«, sagte Adamsberg. »Vétilleux wird aus dem Knast kommen und die anderen auch. Letztlich ist es das, was zählt.«
    »Nein«, sagte Danglard und schüttelte den Kopf. »Da ist noch das vierzehnte Opfer.«
    Adamsberg richtete sich auf und legte seine Ellbogen auf die Rückenlehnen der Vordersitze. Sanscartier roch nach Mandelmilch.
    »Das vierzehnte Opfer hab ich doch bei den Nüssen gepackt«, sagte er lächelnd.
    Danglard warf ihm über den Rückspiegel einen Blick zu. Das erste richtige Lächeln, fand er, seit über sechs Wochen.
    »Der letzte Spielstein«, sagte Adamsberg, »ist der wesentliche. Ohne ihn ist nichts zu Ende, nichts
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