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Annies Entscheidung

Annies Entscheidung

Titel: Annies Entscheidung
Autoren: Allison Leigh
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1. KAPITEL
    Das Geräusch war unverkennbar. Splitterndes Glas.
    Annie schloss die Augen und befahl sich, tief durchzuatmen.
    Sie hätte den Weg nach hinten auch mit geschlossenen Augen gefunden, aber sie öffnete sie trotzdem wieder. Zwar kannte sie jeden Winkel des Ladens, aber seit zwei Tagen war sie so nervös, dass es sie nicht wundern würde, wenn sie selbst gegen eins der Regale aus Chrom und Glas stieß.
    Sie betrat den hinteren Raum von Island Botanica und sah mit einem Blick, was geschehen war.
    An dem an der Decke befestigten Holzgitter hingen Büschel von Lavendel, Rosmarin und Goldmohn zum Trocknen. Unter der duftenden Farbenpracht stand ein junges Mädchen inmitten dunkelgrüner Scherben. „Hast du dir wehgetan?“
    fragte Annie.
    Verlegen starrte ihre Nichte zu Boden. „Das ist jetzt schon die dritte Flasche, die ich zerbrochen habe.“ Rileys Stimme klang belegt. Sie schien den Tränen nah zu sein.
    Nirgendwo war Blut zu sehen, und Annies Herzklopfen legte sich ein wenig.
    Achselzuckend nahm sie den Handbesen vom Wandhaken und begann die Scherben zusammenzufegen. „So etwas passiert“, sagte sie so gelassen wie möglich. Sie merkte, dass ihre Hände zitterten, und packte den Besen noch fester.
    Das Dutzend Armbänder an Rileys schmalem Handgelenk klirrte, als sie sich das wellige blonde Haar hinter die Ohren schob. Hastig ging sie zur Seite. „Dad wird alles bezahlen.“ Annies Herz schlug wieder schneller. Seit Riley vor zwei Tagen unangemeldet vor ihrer Tür gestanden hatte, hatte das Mädchen seine Eltern mit keinem Wort erwähnt. Es war Annie gewesen, die darauf bestanden hatte, Will und Noelle anzurufen und ihnen zu sagen, dass ihrer Tochter nichts zugestoßen war.
    Sie hörte auf zu fegen und streckte den Arm nach Riley aus, ließ ihn jedoch wieder sinken. Anstatt ihre Nichte zu berühren, fegte sie die Scherben auf das Kehrblech. „Sei nicht albern. Niemand muss etwas bezahlen.“
    „Außer dir und Sara, denn jetzt könnt ihr das nicht mehr verkaufen.“ Das Mädchen zeigte mit dem Kinn auf die grünen Glassplitter, die glitzerten, als Annie sie in den Abfalleimer kippte. „Dad hat erzählt, dass euch das Wasser bis zum Hals steht.“
    „Nun ja, eine zerbrochene Flasche mehr oder weniger wird uns schon nicht ruinieren“, erwiderte Annie trocken. „Es ist schon gut, Riley. Wirklich. Ich schlage vor, du packst die restlichen Flaschen aus, dann machen wir Mittagspause.“
    Rileys Blick zuckte zur Wanduhr. „So früh?“ Annie hängte Handbesen und Kehrblech wieder an ihren Platz. „Mir gehört der Laden. Ich kann Mittag machen, wann ich will. Wir gehen zu Maisy’s. Dort schmeckt es immer großartig, und wenn es nicht regnet, können wir uns nach draußen setzen.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. Riley den ganzen Vormittag hindurch zu beschäftigen war schwieriger gewesen, als sie erwartet hatte. Aber selbst an einem stürmischen Tag wie diesem musste sie sich um den Laden kümmern, und sie hatte ihre Nichte nicht allein lassen wollen. „Sag mir Bescheid, wenn du mit der Kiste fertig bist.“
    Riley nickte und schob die Hände wieder in die Schaumstoffflocken, zwischen denen die Flaschen in der Kiste lagen. Nach einem Moment zwang Annie sich, wieder nach vorn zu gehen. Dass man ihr über die Schulter schaute, war das Letzte, was ihre Nichte jetzt brauchte.
    Es war ein ruhiger Tag, wie meistens in der Wochenmitte. Die Touristen kamen erst am Wochenende auf die Insel und in den kleinen Kräuterladen, den Annie zusammen mit ihrer Freundin Sara Drake betrieb.
    Zum Glück haben wir auch noch den Versandhandel, dachte sie. Der florierte, und ohne ihn hätten sie den Laden längst schließen müssen. Das war für sie eine unerträgliche Vorstellung.
    Sie nahm das Staubtuch und ging zu den Vitrinen, die am Schaufenster standen.
    Der Laden war klein, aber in ihm herrschte eine luftige und natürliche Atmosphäre, die Annie noch immer so sehr liebte wie vor fünf Jahren, als Sara und sie ihn eröffnet hatten.
    In den Glasregalen standen die Flaschen, Gläser und Röhrchen aus dem grünen Glas, das Island Botanicas Markenzeichen war. Im Laden bekam man fast alles, von Kräftigungsmitteln bis zu Parfüms, die sämtlich hier auf Turnabout Island hergestellt wurden. Annie drehte eine Flasche so, dass die silberne Schrift auf dem elfenbeinfarbenen Etikett von draußen zu erkennen war, und wischte mit dem Tuch über einen Fingerabdruck, den jemand auf der Vitrine hinterlassen hatte.
    Vor dem
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