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Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
Autoren: Megan Whalen Turner
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Prolog

    Der König von Attolia durchquerte seine Stadt. Er war auf dem Weg zum Hafen, um Gesandte willkommen zu heißen, die gerade aus fernen Weltgegenden eingetroffen waren. Der König war ein Neuling und Ausländer; er war nur dank einer politischen Heirat mit der Königin von Attolia König geworden und den meisten Attoliern noch unvertraut. Sie drängten sich längs der Heiligen Straße, um ihn mit eigenen Augen zu sehen – und auch, um ihrer Königin zuzujubeln, die neben ihm in der offenen Kutsche saß. Ein Schaulustiger aus der Menge – ein junger Mann mit gebrochener Nase, einer von Narbengewebe entstellten Lippe und schmutzigen Kleidern, die zusammengenommen darauf hindeuteten, dass es sich um einen gewalttätigen Gewohnheitskriminellen handelte – legte es besonders darauf an, nahe heranzukommen. Er war in Gesellschaft eines älteren Mannes, der zwar nicht narbenübersät, aber nicht weniger abgerissen war und ihm auf einen Meilenstein hinaufhalf, der die Kreuzung der Heiligen Straße mit einer der breiteren Querstraßen markierte.
    »Den rechten Fuß noch ein paar Zoll höher! Da ist etwas von der Ecke abgesplittert. Ja, gut so! Stehst du sicher? Kannst du etwas sehen?«
    »Ja, ich habe Halt und kann etwas sehen. Nun lass mich doch schon in Ruhe!«, sagte der jüngere Mann. Einen Fuß auf einen schmalen Sims, den anderen in die durch die Beschädigung entstandene Delle gesetzt stand er hoch genug, um die linke Hand um die schlanke Spitze des Meilensteins zu schlingen. Von diesem Aussichtspunkt aus konnte er mühelos über die Köpfe der Leute hinwegsehen, die sich auf den Straßen drängten, und da er sich mit einer Hand gut festhalten konnte, hatte er die andere frei. Sie hatten den Meilenstein am Vortag ausgewählt, weil man von dort aus einen langen, geraden Abschnitt der Heiligen Straße überblicken konnte, so dass er reichlich Zeit haben würde zu zielen.
    Die Menschenmenge wurde immer dichter. Es wurde laut geredet: Teilweise waren es die üblichen Beschwerden über den Preis von Speiseöl und gutem Wein oder das Benehmen der heutigen Jugend, aber manche Bemerkungen galten auch dem neuen König. Alle sprachen verächtlich von seiner eddisischen Herkunft, aber ein paar widerwillige Unterstützer führten zu seinen Gunsten seine angebliche Liebe zur Königin an. Solche romantischen Märchen wurden von den Freimütigeren als töricht abgetan, aber einige Gesichter wurden weich. Nachzügler beäugten den Standort auf dem Meilenstein, aber der ältere Mann verteidigte den Zugang dazu mit der unabsichtlichen Hilfe einer behäbigen Frau und ihrer Schar kleiner Kinder. Sie verstellten denen den Weg, die hätten annehmen können, dass auch für sie Platz an dem erhöhten Standpunkt war oder dass sie seinen Inhaber zwingen könnten, ihn aufzugeben. Die einzige Gefahr ging von zweien der kleinen Kinder aus, die versuchten hinaufzuklettern. Der jüngere Mann trat auf mehrere Finger und entschuldigte sich beiläufig. Die Frau warf ihm einen giftigen Blick zu, zog ihre Kinder aber herunter. Als der Trubel weiter oben am Hügel darauf schließen ließ, dass die königliche Prozession sich näherte, erschien der Vater der Kinder; er zwängte sich durch die Menge und wischte sich im Gehen die Hände an seinem schmutzigen Kittel ab. Er hob sich zwei der kleinsten Kinder auf die Schultern, und sie hielten alle nach der Kutsche Ausschau, in der König und Königin fuhren.
    Der junge Mann griff mit der freien Hand in die Tasche und führte die Hand dann an den Mund. Er senkte sie wieder, aber diesmal, um ein dünnes Rohr von dem anderen Mann, der unten stand, entgegenzunehmen.
    Der König kam in Sicht: Er saß aufrecht neben der Königin in der Kutsche. Der junge Mann, der sich an den Meilenstein klammerte, zielte, wartete den richtigen Augenblick ab und schoss mit einem konzentrierten Ausatmen.
    Die Erbse traf den König an der Wange. Er reagierte nicht, und das Kügelchen fiel ihm unsichtbar in den Schoß. Er neigte den Kopf, um seiner Frau, der Königin, etwas zuzuflüstern. Der Angreifer winkte und rief den Namen des Königs, ganz wie alle anderen in der Menge, und als der König aufschaute, ging sein Blick über den Attentäter hinweg, ohne bei ihm zu verweilen.
    Die königliche Kutsche rollte vorbei. Der junge Mann ließ sich vom Meilenstein fallen.
    »Hast du ihn getroffen?«, fragte der ältere Mann.
    »Ja«, sagte der jüngere.
    »Hat er dich gesehen?«
    »Wenn ja, dann hat er mich nicht erkannt.«
    Sein
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