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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei
Autoren: Raphael Zehnder
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Tag 1
    Der PIN -Code? Herrgott, der PIN -Code! Er hat Regulas Handy dabei, seins ist wieder einmal kaputt. Das dritte schon in diesem Jahr. Unbrauchbar, weil aus der Brusttasche ins Güllenloch gefallen. Herrgott, wie war noch der PIN -Code?
    »Scheisse«, ruft Beat Schaufelberger. Er steckt das Ding weg. Mit einem Griff an die Konsole koppelt er den Mähaufbereiter ab. Am Zaun von Heini Angsts Schweineweide auf den Reussmatten, einen knappen Kilometer vom Hof. Beat gibt seinem John Deere die Sporen, Kompakttraktor der Serie 6030. Kann, ich sag’s Ihnen, einfach alles: leistungsstark und vielseitig, gute Verbrauchswerte, auf dem Acker nicht zu schlagen und macht auch auf der Strasse etwas her. Aktuell gesagt: hier auf dem Feldweg in Oberlunkhofen im Aargau. Dank des neuen DTC -Kühlsystems überhitzt der Motor von Beat Schaufelbergers grün-gelbem Wundertraktor nicht. Selbst jetzt nicht, wo die Sommerluft heiss ist wie auf dem Grill und wo er aus der Maschine alles rausholt, was es rauszuholen gibt. Und hupt dazu den Teufel. Hupt, was die Lungen des Traktors hergeben. Wenn schon das Handy nicht zu gebrauchen ist … nein, nicht die Schuld dem Handy … Beat Schaufelberger könnte sich abwatschen, weil jetzt müsste er diese vier Zahlen wirklich, wann, wenn nicht jetzt: einfach wissen. Und zieht eine gelbliche Staubwolke hinter sich her, eine Staubfahne, trocken ist’s wie in der Sahara, nach Heu riecht es, das soeben gewendet wurde und in der Sonne liegt, und hupt und tritt das Gaspedal hinunter, sodass der Motor die fünf Prozent ExtraPower voll ausmobilisiert – und nach fünf Minuten, die sich anfühlen wie fünfundfünfzig, kommt der Schwendihof in Sicht, und um die Linkskurve rum mit lautem Hupen immer noch. Beat brüllt aus der Kabine: »Heini!«
    Und nochmals: »Heini!« Und trö trö tröö weiter.
    Und weil das höchst aussergewöhnlich ist, Beat Schaufelberger sonst eher von der stilleren Sorte, bekommt Heini natürlich einen grossen Schreck. Heini hat das Geräusch des 6030 sofort erkannt. Kein Traktor in ganz Oberlunkhofen schnurrt und knurrt und rauscht so wie der von Beat, der wahre Wohlklang der Landwirtschaft. Aber weil Panikgehupe  rennt Heini Angst, der Schwendihofbauer, sofort aus dem Schweinestall raus, im Laufschritt, und ruft: »He, Beat! Was ist denn los?«
    Aber versteht nicht, was Beat brüllt und herumgestikuliert, weil der Traktor Lärm macht.
    Aber versteht die Handbewegung von Beat, klettert auf den Beifahrersitz, der sich platzsparend hochklappen liesse, wird jetzt aber benötigt.
    »Deine Schweine«, schreit ihm Beat durch den Krach entgegen, »deine Schweine auf der Weide!«
    Und legt den Gang ein.
    »Hast du dein Telefon?«
    Der Schwendihofbauer nickt.
    Schaufelberger kurbelt am Lenkrad.
    »Ruf die Polizei und den Veterinär«, sagt Beat, »wir brauchen beide.« Und legt den Gang ein. Das PowerQuad Plus-Getriebe 24/24 treibt diesen Traum von Kompakttraktor vorwärts, in die Reussmatten hinaus, während Heini Angst zuerst der Polizei und nachher dem Veterinär beschreibt, wo die Schweineweide liegt.
    Dann fragt er Beat: »Was ist mit den Schweinen?«
    Aber muss nicht mehr fragen, weil sind schon da. Da sehen sie, was los ist. Es ist der pure Schrecken. Der Alptraum jedes Bauern.
    Auf der halb verdorrten, obwohl baumbestandenen Weide liegen viele von Heini Angsts Schweinen reglos und verkrümmt im Gras und übereinander. Einige zucken und winden sich in Krämpfen und quieken und quietschen und schreien und röcheln und voll Chaos. Was willst du da tun? Heini ruft Marie an, sie soll ihm bitte schnell, sehr schnell, und sie bringt es zack mit dem 4   x   4, und Heini lädt durch und erschiesst die Schweine, die sich krümmen und winden und leiden und schreien. BAMM! BAMM! BAMM!
    Siebenundzwanzig schon Tote, dazu zwölf Erschossene, wird die Polizei zählen.
    Das Bolzenschussgerät.
    Und als das Blutbad vorbei ist, es spritzt nur noch schwach aus den Kopfwunden, bis der Herzreflex das Pumpen eingestellt hat, da stehen der Schwendihofbauer Heini Angst, seine Frau Marie und Beat Schaufelberger, der Nachbar und Schulfreund vom Heini, am elektrischen Zaun.
    Sie stehen und schauen.
    Sie stehen und weinen.
    Da stehen die härtesten Bauern einfach nur da und weinen ihre Wangen nass. Das haut sie um. Weil da merkst du, du bist im Angesicht mit dem Tod einfach nur machtlos. Da kannst du nichts mehr tun.
    Nichts.
    In die Nase steigt der Geruch von frischem Blut. Von erkaltenden
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