Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei
Autoren: Raphael Zehnder
Vom Netzwerk:
zuvorderst steht für das Gesetz und seinen Arm immer der Respekt
vor dem Menschen und seiner Person. Bitte.
    Und den Rest des Sonntags verbringt der Müller
irgendwie privat. Mit Lesen und so und eine DVD mit Film. Denn er hat sich nach der Müllerstrassen-Schusswaffengeschichte
suspendieren lassen. Bis Klärung Schuldzerfressenheit und Traumaüberwindung.
Weil der Müller ist ethisch. Aber das kann dauern, bis Normalitätscomeback. Das
weiss man aus der Fachliteratur: Der Topf geht schnell kaputt, aber bis er
wieder zusammengeklebt ist, fliesst viel Sand die Uhr herunter. Und so ist es
beim Menschen auch. Er ist organisch. Das macht alles kompliziert.
    Aber Person B, wo, Sie erinnern sich, vorher gegen
ein Uhr morgens ins Wasser gestossen (?), gefallen (?), sicher darin
verschwunden beim Jugendkulturhaus Dynamo, strudelt wohl den ganzen Sonntag im
Wasser der grünen Limmat herum. Schon seltsam, dass niemand die Leiche, ja, wir
müssen hier so ungeschminkt und brutal nicht um den Brei herumreden, gesichtet
hat den lieben Sonntag lang. Denn der dauert vierundzwanzig Stunden, wovon es
jetzt circa siebzehn lang hell ist, weil die Jahreszeit es so von ihm verlangt.
    Auch Sonntag, aber Abend. Etwa 8.00 p.m. ist
die Uhrzeit. Industriezone Altstetten: Bernerstrasse = Autobahn, wo in Stadt hineindrängt.
Gewerbehaus. Menschenleer. Untergeschoss. Da auch heisse, abgestandene Luft
ohne Zirkulation. Wie ein dreckiger heisser Umschlag. Treppe → Untergeschoss: An unser Ohr dringt Rockmusik.
Von weit her. Wie eine Dampframme auf einer Baustelle, die Pfähle im Boden
verankert. So verankert diese Musik ihre Erzeuger in der Welt. Ich gehe näher.
Kommen Sie mit? Nicht dass ich allein Angst hätte, nein, nein, passiert hier
wahrscheinlich nichts. Ist Zürich. Da habe ich keine Angst. Sondern weil ich
Ihnen etwas zeigen will: den Proberaum der Zürcher Band Spitfire ,
seit achtzehn Jahren etwas vom Besten, was, sogar gelegentlich international.
Machen Rock. Nicht dieses langweilige Erwachsenenzeug fürs Mainstreamradio,
nicht dieses bunte Ding für die Videogeneration. Nicht das
Wehleidig-Nachdenkliche für die Pickelträger. Nicht diese Crossovermasche für
unentschlossene Kompromissler und lahme Fast-Modernisten. Sondern harten,
ehrlichen Rock. Ungefähr Sex Pistols trifft Metallica , und dann und wann erhebt sich Johnny Cash aus seiner Gruft. Können Sie sich ungefähr so
vorstellen. Laut und kräftig, manchmal sehr laut, sagen wir’s so: gut männlich.
    Das als Hintergrund, damit Sie vorbereitet sind, was
jetzt kommt. Türe aus unerfindlichen Gründen in Türkis. Klinke runterdrücken.
Aufschieben. Musik plötzlich ganz laut. Und Rauchwolke quillt heraus.
    Darin vernebelt Spitfire ,
das heisst folgende Protagonisten des Zürcher Rocklebens. Von links nach
rechts: Sänger Mark Huber (28), Typ blonder Schönling; Keyboarder Stefan
Meier (26), Typ Nerd, der sich von Computern ernährt; Schlagzeuger Goran
Krstic (38), Typ Oberarmmonster; Gitarrist Hanspeter «Hausi» Sollberger (32),
Typ Trujillo Metallica , was bedeutet: elastisches
Gesicht und lange dunkle Haare und sein Instrument elektrisch und auf
Schienbeinhöhe trägt er’s, weil Mann formt mit dem Körper fast ein S, wenn am
Instrument, Latino; Bassist René Gabathuler (32), kein Typ, aber macht
seine Sache recht. Und seltsamerweise ist da auch Sebastian Fuhrer (33),
der hier was weiss ich was zu suchen hat. Vielleicht ein Bier gratis? Sie alle
ausser Sebastian rocken, was das Zeug hält. «When Death Cometh To Zurich-Leimbach»,
heisst der Song, den sie gerade in die Instrumente hauen, quasi ihr Evergreen,
der, ich spielte darauf an, sogar in Skandinavien eifrig rezipiert wurde und
heute noch wird und an Konzerten stets ein Abräumer. Die Lautsprechermembranen
im Proberaum pulsieren heftig. Reisst mit, dieses «Epos über Vergänglichkeit
und Wahnsinn, die in der scheinbaren Normalität verborgen sind», wie einst ein
Journalist geschrieben hatte. «Epos», weil ziemlich viel länger als vier
Minuten. Restliche Aussage, weil wirklich bedrohlich. Da wachsen dir die Haare
sofort. Und sogar bekannt bis Skandinavien. Spitfire aber keine Hardrockband, nein, nein. Name ist britisches Flugzeug aus Grossem
Krieg. Also vielleicht Hinweis auf «British Wave of Heavy Metal»? Ha! Das ist
eben die Ironie. Weil, klingen eher kalifornisch. Mit Prise London, darum die Sex Pistols vorher erwähnt, capisci? Und dieser Song
wirklich schnell und laut und präzis und dunkel und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher