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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei
Autoren: Raphael Zehnder
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Gedanken Wotan, bringt zwei Gläser Wasser.
    Dem Müller läuft jetzt der Schweiss sturzbachweise in den Polokragen. Eigentlich müsste man im Zürichsupersommer nackt sein, aber nicht, wenn so viele Menschen zuschauen. Doch jetzt im Sumatra und allgemein im urbanen Zürich nicht gar so viele Menschen wie zum Beispiel im Mai oder November, weil Ferienzeit und die einen am Strand beim Braten, die anderen in den Bergen beim Wandern, die Dritten am See oder an der Limmat.
    »Wie kommt das Gift in Ihren Schweineeimer? Was wissen Sie?«, fragt der Müller ohne Umschweife. Auch Tell hat den Apfel nicht auf Umwegen getroffen.
    Joachim Scharpfs Hand spielt mit der Zigarette.
    »Ich kann es mir nicht erklären. Der Bohneneintopf –«
    »Da drin war’s. Das ist erwiesen.«
    »Sagte mir Ihr Kollege am Telefon … Ein italienischer Name … Catanzaro?«
    »Genau«, sagt der Müller, sonst nichts. Er wartet, nicht nur, weil heiss im Kopf. Auch weil die richtige Pause manchmal Wunder wirkt. Wenn der andere die Frage erwartet und sie kommt nicht. Kommt sie? Sie kommt – jetzt:
    »Wen wollten Sie vergiften?«, fragt der Müller und lächelt dazu.
    Nun muss Joachim Scharpf lachen, weil Vorwurf absurd.
    Absurd?
    »Ich meine es ernst«, sagt der Müller düster und streift mit dem Handrücken einen halben Liter Schweiss von der Stirn. Ersetzt ihn inwendig durch zwei Schlucke aus dem Wasserglas.
    »Ich habe den Bohneneintopf nicht vergiftet. Ich bin froh, dass ihn niemand bestellt hat.«
    Angriff Müller: »Kein Wunder. Bei diesen Temperaturen würde ich auch keinen Bohneneintopf essen wollen.«
    Konter Scharpf: »Sie kennen das Spezialrezept von Parminder Singh vom ›Palace‹ in Madrapur offenbar nicht –«
    Der Müller schüttelt den Kopf.
    »Bohneneintopf ist bei der Hitze das Beste. Von wegen Wintergericht. Das hat sich nur noch nicht herumgesprochen. Vor allem, wenn man an Kardamom nicht spart –«
    Der Müller dazwischen: »Passiert Ihnen das oft, dass Sie etwas kochen, das dann niemand bestellt?«
    »Nein, sonst hätte ich dieses Restaurant nicht. Bei diesen Pachtzinsen. Ich schaufle mir doch nicht mein eigenes Grab.«
    Leuchtet alles ein. Das mit dem Nicht-selbst-vergiftet-Haben mag stimmen. Weil Joachim Scharpf hat ein Herz für Gäste, weil bringen Umsatz und sind Menschen, und hat ein Herz für Schweine, weil geben gute Schnitzel, und sie sind dem Menschen physiologisch so ähnlich, dass man mit ihnen diesen und jenen wissenschaftlichen Versuch anstellt. Aber dass er ein Herz für Menschen und eines für Schweine hat, bedeutet nicht, dass er zwei Herzen hätte, weil das sogar seine Brust sprengen würde, die von mächtiger Muskulatur zusammengehalten wird.
    Im Laufe einer Ermittlung, liebe Leserin, geschätzter Leser, ist Misstrauen stets der Begleiter des Polizisten. Weil es zählen nur sichere Beweise. Von halb deutlichen Hinweisen und persönlichen Beeindruckungen darf sich der Kriminalpolizist nicht befangen und trügerisch machen lassen, weil das Verbrechen kann einen schwer täuschen, die sind geübt darin und legen es darauf an. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Joachim Scharpf grossen finanziellen und ideellen Schaden, geschweige denn ruinierten Ruf, davontragen würde, wenn die Boulevardpresse und internationalen Lifestyleguides das Gift im Bohneneintopf riechen würden beziehungsweise erfahren, dass so wenig Gäste da waren, dass Scharpf dieses Gericht einzig für den Schweineeimer kreiert hatte … da würden sie aus dem »Biowunder« leicht den »Bioplunder« machen.
    Grundannahme des Müller Benedikts also: Joachim Scharpf, Koch Restaurant Sumatra, hat blütenreine Weste, obwohl Kochgewand gerade etwas befleckt von Saucen. War metaphorisch gemeint und nicht im Sinn von »sauberes Kochgewand«.
    Der Müller deshalb die klassische Frage wie aus dem Kriminallehrbuch: »Haben Sie Feinde?«
    Ja, was soll man darauf antworten? Wenn du nicht gerade im organisierten Verbrechen erwerbstätig bist, lautet die traditionelle Antwort: Nein. So ist es auch bei Joachim Scharpf. Er sagt es genau so.
    »Haben Sie eine Idee, wer das gemacht haben könnte? So abstrus diese Idee auch wäre?«
    Die glühende Luft streicht über die Gesichter des biologischen Küchenchefs und des krankgeschriebenen Polizeimanns im Begriffe der Wieder-Re-Integration und lässt einige salzige Tropfen verdampfen. Beide drücken wie im Synchronballett ihre Zigaretten aus.
    Da sagt Joachim Scharpf: »Nicht die Bohne.« Und schüttelt den
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