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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei
Autoren: Raphael Zehnder
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Diskretion. Ich will nicht, dass die Buchhaltung von unserem Arrangement Kenntnis bekommt.«
    Oder der Polizeibeamtenverband oder das Arbeitsgericht, denkt der Müller, weil ist schon ziemlich, sagen wir, Graubereich.
    Aber der Müller nickt auf die Diskretionsaufforderung hin, aber das sieht der Chef am anderen Ende des Telefons natürlich nicht. Er fragt: »Eine vorerst letzte Frage –«
    »Ja?«, hebt Peter Wunderli die Brauen.
    »Oberlunkhofen, wo die Schweine gestorben sind. Das liegt –«
    »Im Aargau«, sagt Wunderli, »aber Sie dürfen dort ermitteln. Das habe ich schriftlich. Das ist auch gut für uns, wegen der Ausgleichszahlungen. Zentrumslasten und so weiter. Sind ja schliesslich Kollegen, die Aargauer. Bei denen ist auch die Hälfte der Mannschaft auf den Balearen.«
    Und der Chef sagt, er mailt ihm die nötigen Informationen. Das heisst, alles, was sie haben. Ist nicht viel.
    Ende des Telefongesprächs.
    Ja, hat der Müller zu Wunderli gesagt. Im Hinterkopf pocht plötzlich wie ein Specht das schlechte Gewissen, sich selbst gegenüber. Weil Herr Borowski, der Therapeut, hat ihm gesagt: »Gehen Sie jetzt alles ruhig an. Ein Trauma ist keine Bagatelle. Geben Sie sich Zeit, die Vorfälle zu bewältigen.« Aber ein anderes Problem vom Müller lautet: hat nie gelernt, Nein zu sagen.
    Und Franz Schubert vor seinem Bildschirm hat natürlich mitbekommen, dass der Müller einen Anruf gekriegt hat. Da weiss er: Etwas ist wieder im Busch. Und wie der Müller jetzt mit einer Unschuldsmiene in das Glaskabäuschen von Franz Schubert hereinspaziert und sagt: »Ich gehe mir mal die Beine vertreten.« Da denkt Franz, dass es langsam aufwärtsgehen könnte mit dem Müller Benedikt seiner psychischen Rehabilitation. Dass er mindestens ansatzweise fast wieder tickt wie früher. Will sogar aus dem angenehm klimatisierten Büro an der Bäckerstrasse 40 in die Gluthitze des Supersommers in Zürich gehen, wo dir die Haare auf dem Kopf vor Temperatur regelrecht verklumpen. Franz Schubert muss lachen, weil sagt zum Müller sonst immer: »Ruh dich aus. Arbeite nicht zu viel.« Solche Sachen. Aber jetzt nicht, denn im Müller drin brennt ein Feuer so stark wie ein Stier. Und dieses Feuer heisst »Polizei, Telefonnummer 117«.
    Und der Müller muss auch lachen, als Franz Schubert lacht. Weil er merkt, Franz hat ihn durchschaut und lacht deshalb. Und Müller erzählt in groben Zügen von den siebenundzwanzig toten und wegen irreversiblen Organschäden abgetanen zwölf Bioschweinen »in einem Nachbarkanton« und dem vergifteten Schweineeimer »aus einem Zürcher Restaurant«. Nichts Genaueres, weil Amtsgeheimnis.
    Und fügt hinzu, weil Franz lacht: »Pst! Nicht lachen. Schweine sind auch Lebewesen.« Und geht jetzt aus der Bürotür.
    Treppe hinunter. Spazieren, Zigarette, ein paar Schritte, mehr nicht, aber schon Schweiss überall, Schuhe sinken fast in Asphalt ein, und der Müller wird unruhig, weil so nah am Dunstkreis der Müllerstrasse. Hier ist er passiert im Mai, der Schusswaffenvorfall. Das Blut überall und der Körper wie zerknüllt auf der Strasse und tot. Und Müller der Schütze. Seither voll psychisch. Ethik und Humanität und der Schuss passen nicht zusammen. So ein Scheiss ist schnell geschehen, leider, obwohl Müller kein Ballermann und Dirty Harry ist, eher Typ »nachdenklich«. Und seither geht er zur psychologischen Betreuung, fast regelmässig einmal die Woche fünfzig Minuten zum Psycho, zu Herrn Andreas Borowski am Rigiplatz, das hilft schon. Geht jetzt durch die Bäckerstrasse  Helvetiaplatz. Und dann rechts hinunter zur Molkenstrasse, was nach Milchverarbeitung klingt, aber hier ist eine andere Realität real: nachts Drogen- und Überfallecke. Weiter die Langstrasse hinunter, vorbei am »Krokodil«, wo er früher mit Polizeifreund Bucher Manfred einkehrte, als der noch ein Quantumfresser war. Und vorbei am »Longstreet« und an Zupfstuben mit überteuertem Schampus und an Shops mit Daueraktion »1000 London-Präservative nur 100   Franken«. Dienerstrasse, Rolandstrasse. Nicht in die Scherben und in die Hundekacke treten. Frauen mit viel Haut am Bein schlenkern ihre Formen und rufen dem Müller zu: »Ciao, bellissimo!« Und als er nicht reagiert, nennen sie ihn plötzlich »hijo de puta«. Interessanter Sprachwechsel, da muss er wieder lachen. Weil es geht immer und überall nur ums Geld.
    Und durch die stinkende Unterführung mit Flüssigkeiten und Schleim aller Art, also unter den Bahngeleisen
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