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Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung

Titel: Der Mann ohne Geld - Meine Erfahrungen aus einem Jahr Konsumverweigerung
Autoren: Mark Boyle
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Vorwort
    Der Abend davor, 28. November
    Besser wird das Timing nicht. Es ist fünf nach sechs am Vorabend meines Jahres ohne Geld, und für mich haben die Läden von nun an praktisch ein Jahr lang geschlossen. Es war ein unerwartet langer Tag. Die Medien haben von meinem Plan, ohne Geld zu leben, Wind bekommen. Also gab ich, anstatt letzte Vorbereitungen für mein bevorstehendes soziales Experiment zu treffen und, was noch viel wichtiger gewesen wäre, ein letztes Bier in meiner Stammkneipe zu trinken, ein Interview nach dem anderen. Der Klang meiner Stimme, die immer wieder die gleichen Fragen beantwortete, hat mich leicht schwindlig gemacht.
    Als ich, die Abkürzung durch ein besonders versoffenes, neonbeleuchtetes und mit Glasscherben gepflastertes Viertel von Bristol nehmend, nach meinem letzten Interview mit der BBC nach Hause radle, merke ich, dass mein Hinterrad eiert. Es ist nichts Gravierendes, bloß ein platter Reifen, aber symbolisch für die Herausforderungen, denen ich in den nächsten zwölf Monaten jeden Tag begegnen werde. Ich bin knapp 30 Kilometer von meinem Wohnwagen entfernt, wo ich dummerweise mein Flickzeug habe liegen lassen, aber ich kann bei meiner Freundin Claire haltmachen und den Schlauch dort reparieren. Meine einzige Sorge ist, dass ich mein leicht schlingerndes Fahrrad mit den zwei schweren Satteltaschen hinten drauf etwas mehr als 5 Kilometer weit schieben muss. In Anbetracht der Tatsache, dass ich fünf Minuten zu spät dran bin, um ein neues Hinterrad zu kaufen, kann ich wirklich darauf verzichten, jetzt mit einem verbogenen dazusitzen.
    Auf meinem Weg zu Claire melde ich mich bei meinem Kumpel Fergus Drennan. Fergus ist ein sagenhafter Nahrungssucher, aber leider schrecklich untalentiert, wenn es um das Reparieren von Fahrrädern geht. Dennoch ist er mit seinem unbändigen Enthusiasmus genau der Mann, den ich jetzt brauche. Der Zeitdruck und die Angst vor dem Jahr, das vor mir liegt, fangen an, mich zu belasten. Nachdem wir endlich bei Claire angekommen sind und während ich unbekümmert an dem herumschraube, was ich für das Hinterrad halte, erzählt Fergus, wie man aus Pilzen Papier und Tinte herstellt. Erschöpft wie ich bin, aber dennoch fasziniert von seinen Ausführungen, wächst in mir der Frust angesichts der Probleme, die ich mit dem Demontieren des Rades habe. In genau dem Moment, in dem ich denke, dass ich etwas zu essen brauche, weil ich sonst entweder in Ohnmacht falle oder Fergus einen Knollenblätterpilz in die Kehle schiebe, höre ich ein lautes »Peng!«, und irgendein ziemlich wichtig aussehendes Teil schießt durch den Raum. Anstatt das Rad zu lösen, habe ich vor lauter Erschöpfung die Kettenschaltung abgeschraubt. Keine besonders erfreuliche Neuigkeit. Denn abgesehen von meinem Körper ist dieses Fahrrad mit Abstand das wichtigste Utensil für mein anstehendes Experiment. Tatsächlich spielt es nicht nur eine große Rolle, sondern ist absolut lebenswichtig. Zu vielen meiner potenziellen Lebensmittel- und Holzquellen ist es hin und zurück ein Fußmarsch von 58 Kilometern, und die meisten meiner Freunde wohnen 29 Kilometer entfernt. Ohne ein Fahrrad wären Begegnungen unmöglich, und ich hätte nicht die geringste Chance, an die Dinge heranzukommen, die ich das Jahr über zwangsläufig brauchen werde.
    Ich kenne mich mit Fahrrädern ein bisschen aus, aber so etwas Kompliziertes wie eine Kettenschaltung übersteigt meine Kompetenz. In meinem früheren Leben, als ich noch mit Geld ausgestattet war, ging ich mit dem Fahrrad, wenn es wirklich kaputt war, zum Fahrradladen, kaufte einige Ersatzteile und bezahlte einen netten Mitarbeiter für die Reparatur. Diese Möglichkeit bestand für mich allerdings nicht mehr. Den ganzen Tag lang hatte ich Reportern erzählt, wie ich mich sechs Monate lang darauf vorbereitet hatte, ein Jahr ohne Geld erfolgreich zu überstehen. Und jetzt sah es so aus, dass ich, vier Stunden, bevor mein Abenteuer offiziell losging, geistig und körperlich völlig erschöpft neben meinem soeben demolierten Fahrrad lag, dem Herzstück meiner Pläne. Da ich am folgenden Tag auch noch ein kostenloses Drei-Gänge-Menü für 150 Personen zubereiten sollte, und zwar aus Lebensmitteln, die ich mir in der Natur und in der Stadt erst noch zusammensuchen musste, merkte ich, wie angespannt ich war.
    Es war nicht nur das Fahrrad, das mir Sorgen bereitete. Dies war ein kleines Beispiel für die Tausenden von Problemen, denen ich in einem normalen Jahr
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