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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei
Autoren: Raphael Zehnder
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unverständlichen Buchstabenreihen, so ist das eben beim Clearen. Da friert unvermittelt der Bildschirm ein. Risiko: die ganze verfluchte Eingabe von mehreren Stunden vielleicht verloren – obwohl manchmal Rettungsring: automatischer Zwischenspeicher. Doch da klingelt das Telefon auf dem Tisch, das mobile, wo vibriert und beinahe herunterrutscht, dem Müller seines, assembled in China. Die Nummer auf dem Display kennt unser Polizeimann a. D., es ist die interne vom Chef. Da wunderst du dich, ehrlich gesagt, innerlich immer ein bisschen und bist tief in der Psyche vor Schreck gefroren, wenn dich der Chef in der Frei- oder Krankzeit anruft. Was ist passiert? Irgendetwas schiefgelaufen? Etwas versiebt? Ein Protokoll verhühnert? Eine Beschwerde eingegangen? Kurz: Was will der Chef?
    Also zweimal leer schlucken, Blutdruck anhalten, einatmen, ausatmen, grünes Telefönchen drücken:
    »Müller«, sagt der Müller.
    »Wunderli«, sagt der Chef, weil heisst Peter Wunderli, Hauptmann, Chef Abteilung Gewaltverbrechen. Kein schlechter Chef, aber nicht so Kumpel, sondern Stil »streng, aber gerecht«.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragt der Müller, weil er hat keine Ahnung.
    »Sie sind doch einigermassen gastronomisch bewandert«, sagt der Chef.
    »Mhm«, so der Müller. Bedeutet ungefähr: ja-haaa, aber …
    »Und Sie fühlen sich wieder einigermassen?«
    Schon wieder »einigermassen«.
    Deshalb der Müller auch schon wieder: »Mhm.«
    »Störe ich Sie beim Essen?«
    Müller merkt, der Chef wird ungeduldig, bald sogar giftig. Kennt ihn, deshalb Freundlichkeitsoffensive: »Nein, nein, pardon, ich war nur in Gedanken. Ich höre Ihnen zu.«
    »Ich hätte da etwas für Sie, das uns beiden hilft.«
    Tönt nach Anstrengung, nach Arbeit, nach Unterwegssein. Der Müller hat sich nach dem Molinari-Fall vorgenommen, sich jetzt auszuruhen.
    Aber er sagt: »Schiessen Sie los.«
    Obwohl er ans Schiessen nicht gerne denkt.
    »Der Schweineeimer im biologischen Restaurant Sumatra im Kreis 5 war vergiftet. Deshalb sind gestern auf dem Schwendihof in Oberlunkhofen siebenundzwanzig Schweine verendet, und der Bauer musste zwölf weiteren den Gnadenschuss geben. Schlimme Sache. Und denken Sie, wenn ein Mensch von diesem Schweineeimer gegessen hätte –«
    »Ein Mensch vom Schweineeimer gegessen?« Der Müller vermutet, der Chef hat zu heiss. Weil es seit Wochen nur heiss ist, sehr heiss. Und weil das Büro von Peter Wunderli auch auf der Sonnenseite vom Grossen Polizeigebäude an der Zeughausstrasse einquartiert ist.
    »Vom Bohneneintopf, der ungegessen in den Schweineeimer gewandert ist«, verbessert sich Peter Wunderli.
    Das muss der Müller zuerst verdauen. Weil schon viele Gedankensprünge: vorhin noch Clearing Singapur, komplexe Zahlenreihe und bizarrer Kontrollfeldwert, der sich erst mit Einsatz des sogenannten »ShooToo« (»Schubert-Tool«) prozedieren liess; jetzt der Chef mit einer wilden Schweinestory. Viel aufs Mal. Musst du zuerst einmal nachdenken.
    »Sind Sie noch da, Müller?«
    »Ja«, sagt er, »aber ich bin doch noch mit dem anderen Auftrag beschäftigt.«
    Nun muss der Chef nachdenken. Weil will ja Zeichen geben: Ich nehme meine Leute ernst, und ihre Gesundheit ist mir wichtig. Denkt nach: Ach ja, der andere Auftrag … der mit dem Medium, das der Polizei seine Dienste angeboten hat und das der Müller austesten soll. Richtig, haben sie ja vor zwei Wochen besprochen. Der Müller soll das machen mit dem Medium, hat der Chef damals gesagt. Also überprüfen, ob das Medium der Polizei wirklich helfen kann. Der Müller soll das machen, damit, wenn die Politiker sagen, dass die Polizei vorsätzlich Steuergelder verschleudert mit dubiosen Medium-Austest-Versuchen, der Chef sagen kann: Das waren keine vereidigten Polizeibeamten im Dienst auf Kosten des Steuerzahlers, die diesem Esoterikzeug auf den Leim gekrochen sind. Sondern es war der Müller, ein rekonvaleszenter psychischer Krankheitsfall, gewissermassen als Freelance-Medium-Auschecker. Kein Franken aus dem Polizeibudget, weil der Müller immer noch krankgeschrieben ist. Andere Kostenstelle: »0600 Krankheit«. Bei Presse und Buchhaltung also fein raus. Und erst noch therapeutische Wirkung: der Müller aktiv. Fern vom Grübeln am Schusswaffenvorfall.
    »Wie weit sind Sie mit dem Medium?«
    »Ziemlich weit, aber noch nicht fertig mit der ganzen Versuchsreihe. – Wollen Sie den Detailbericht oder eine Zusammenfassung? Jetzt gleich?«
    »Gerne jetzt gleich, die
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