Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei
Autoren: Raphael Zehnder
Vom Netzwerk:
hindurch, die Übernächste links hinein in die Josefstrasse. Da steht laut Hauptmann Peter Wunderli die Quelle des Gifts im Schweineeimer: das biologische Restaurant Sumatra. Müller weiss aus der Presse, dass das Sumatra von Gastroführern, Restauranttestern und Ausgehtippguides mit Punkten oder Mützen, Sternchen oder Krönchen, was auch immer, regelrecht beworfen wird. Passt das hierher? In dieses Quartier? O ja, weil die Mietzinsentwicklung die Josefstrasse und vergleichbare Lagen voll umgewälzt hat. Die Bevölkerung ausgetauscht. Hinter der Schäbigkeit hier ist nicht nur Suchtproblematik à gogo, sondern auch Geld in Haufen. Die einen tragen’s abends und am Wochenende herein, die anderen richten sich ihr persönliches Stylerevier ein in überteuerten Dreizimmerwohnungen. Dreifachverglasung wegen Lärm in der Nacht. Schotten dicht, wenn nötig. Oft nötig. Hier steht das Sumatra. Safrangelbe Leuchtschrift, jetzt aus, lockt auf grau gestrichener Fassade von Fünfzigerjahrebau, inmitten von 1890er-Häusern. War der Raum einst eine Werkstatt? Eine Garage? Glasfront bis zum Boden, lichtdurchlässig, zur Strasse hin. Drin, von draussen zu bemerken: ein schmaler Raum, der weit in die Tiefe des Gebäudes führt. Möbel fast Brockenhausstil. Leicht zu demonstrativ fast, dass es der Müller vom Trottoir aus sieht.
    War der Müller schon einmal im Sumatra? Weiss nicht. Erinnert sich nur, dass auch Bucher Manfred ihm davon erzählt hat. Lobeshymnen auf den Gastrokünstler: Joachim Scharpf, Chefkoch und Besitzer, Kochlegende des Biosegments. »Das deutsche Biowunder«, fällt dem Müller ein, so stand es in der Zeitung. Und Bucher sinngemäss.
    Bio, kommt der inoffizielle Polizeimann ins Sinnen, da denkt man so gar nicht an Gift. Doch diesmal naturwissenschaftlich erwiesen durch Veterinär und Wissenschaftlichen Dienst ( WD ) der Polizei Zürich. Und das ist schon seltsam.
    Also hinein in dieses Untersuchungsobjekt. Ist schmal und tief bis in den Hinterhof, blau-weiss gekachelt, mit Lampen drüber, die Schattenspiele werfen, wenn sie sich drehen. Lange Holztische und Holzstühle mit bogenförmiger Lehne. »Alter Gerümpel« sagt heute keiner mehr, sondern »Vintage« und »Shabby«. Nett. Wirklich. Und ausserhalb Hauptmahlzeitenzeiten auch viel junges Publikum. Liest Zeitungen – gute Auswahl – dreht selbst und raucht’s dann im Hinterhof, wo ein paar allwetterfeste Tische und Stühle stehen, und trinkt Kaffee und Schale und Chai und Lifestylelimonaden. Isst zwischendurch Oliventapenade und Tapas und Tortillawürfelchen mit einem Hauch Peperoni drauf. Biologisches Restaurant, das Sumatra, wie gesagt. Kocht gut, der Mann mit der Mütze. Grossmeister von Samosas, Salat, Krapfen, Körnern, grünem Tee, Saucen mit exotischen Gewürzen und Getreide. Ist ein Akrobat von Wok. Künstler von seltenen Gemüsesorten, wiederentdeckt, seit 18.   Jahrhundert fast völlig ausgestorbene Spezialpastinaken, deren Saatgut nur aus westsibirischem Permafrostboden wiedergewonnen und neu gezüchtet werden kann, rare Äpfel, pro specie rarissima, solche Sachen. Nichts aus dem Beutel, alles frisch. Weiss man nie ganz genau, wie’s heisst, das auf dem Teller, schmeckt aber lecker, ist gesund, wenig fettig, viele Fasern, freut die Gesundheit.
    Aber nicht so ganz das Portemonnaie.
    Der Müller also jetzt drin in diesem Tempel des Biogenusses und fragt einen Kellner nach Joachim Scharpf, Überraschungsbesuch. Kellner mächtig gross und kräftig, mit flatterndem Bart. Sagt: »Ja, er ist da.« Und holt ihn und kommt aus der Küche, Schweiss auf der Stirn, auch ein Kerl wie ein Bär mit Muskeln rundherum, kahl, freundlich und mit, wie man so sagt, offenem Blick.
    Der Müller: »Sie sind Joachim Scharpf?«
    Weiss es ja eigentlich, weil muss so sein und gerade noch kurz beim Schubert im Internet Bildchen gesucht, aber sicher ist sicher. Damit er nicht versehentlich den Zwillingsbruder Scharpf befragt. Ob der überhaupt existiert, der Müller weiss es nicht.
    »Ja«, sagt Scharpf, und das ist eine klare Antwort. »Und Sie sind von der Polizei?«
    »Müller Benedikt«, sagt der Müller und nickt dazu. Scharpf auch und lädt mit Handbewegung ein an einen Allwettertisch im Hinterhof. Sie setzen sich da, was den Müller glücklich macht, weil er seine Juraförderungshilfe aus Tabak auspacken und anzünden kann, und Joachim Scharpf tut es ihm gleich, aber mit der grosskapitalistischen Marke, indes light.
    Der kräftige Kellner, Müller nennt ihn in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher