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Gepaeckschein 666

Gepaeckschein 666

Titel: Gepaeckschein 666
Autoren: Alfred Weidenmann
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Einem Bankdirektor vergeht das Lachen

    „Schuhe putzen gefällig?“ fragte Peter Pfannroth höflich, als ein ziemlich dicker Mann in einem Regenmantel auf ihn zukam.
    „Was denn sonst? Wenn ich Hustensaft will, geh’ ich in die Apotheke“, brummte der Dicke und setzte sich in einen der beiden Drehstühle, der noch frei war.
    „Daß du mir mit deiner verdammten Wichse nicht auf meine Socken kommst!“ Der Dicke stellte jetzt seine Füße wie zwei Handkoffer vor sich auf den Schemel und zündete sich eine Zigarre an.
    „Gestatten Sie, daß ich Ihre Hosenbeine hochkremple?“
    Der Dicke gab keinen Ton von sich. Er hüllte sich in dichte Rauchwolken und sah zu dem freien Platz hinüber, der vor dem Bahnhof lag.
    „Danke schön“, sagte Peter trotzdem und schlug die Hosenenden nach oben. Dabei sah er neben sich zu einem zweiten Jungen. Dieser zweite Junge hatte strohblonde Locken, war dünn wie ein Brett und hieß Emil Schlotterbeck. Er polierte gerade die Schuhe eines Taxichauffeurs.
    „Natürlich wieder eine Baustelle! Als ob wir nicht schon genug davon hätten! In dieser Stadt fällt man ohnehin nur noch von einem Loch ins andere. Lauter Baustellen! „ Der Dicke kaute grimmig an seiner Zigarre, paffte den Rauch aus wie eine Lokomotive, die überheizt ist, und sah immer noch zum Bahnhofsplatz hinüber.
    Tatsächlich waren dort zwei große Lastwagen angefahren, direkt vor dem Eingang der U-Bahn und gegenüber dem neuen Gebäude der „Internationalen Handelsund Creditbank“. Vorerst wurden allerdings nur eine Menge Bretter und Holzplatten abgeladen.
    „fetzt dauert’s nicht mehr lange, und sie reißen die Pflastersteine raus, als ob’s Unkraut wäre“, brummte der Dicke.
    „Vielleicht ist’s aber auch nur Brennholz für die Handels- und Creditbank’„, wagte Emil einzuwerfen. Sein Taxichauffeur, den er gerade fertig bedient hatte, war in seinem Drehstuhl eingeschlafen. Vermutlich hatte er Nachtdienst gehabt. „Von wegen Brennholz. Mach doch die Augen auf!“ Der Dicke zeigte mit seiner Zigarre zu den beiden Lastwagen hinüber.
    Und dort wuchsen jetzt wirklich schon regelrechte Gerüste in die Luft. Gerüste wie kleine Türme.
    „Sie haben recht“, gab Emil zu. „Es handelt sich wohl doch um eine Baustelle.“
    „Ich hab’ so ziemlich immer recht“, sagte der kleine Dicke kurz und zog an seiner Zigarre. Dabei sah er jetzt auf seine Schuhe, und sein Gesicht wurde immer freundlicher dabei.
    „Nicht schlecht“, lobte er, „die glänzen wie neu.“
    „Dabei kriegen sie erst noch den letzten Pfiff!“ stellte Emil fest. Er hatte sich gemütlich zurückgelehnt, die Hände in die Hosentaschen gesteckt und sah zu, wie Peter jetzt Schwung holte. Ein paarmal ging es blitzschnell über die linke, dann über die rechte Schuhspitze. Und dann kam es zum Schluß und als Höhepunkt sozusagen: Das Poliertuch flog in die Luft, schlug einen regelrechten Salto und landete mit einem deutlichen Knall wieder in Peters Händen.
    „Mein Herr, Sie sind rasiert“, Peter grinste und verneigte sich.
    „Wirklich - nicht schlecht - vor allem der Knall am Schluß. Was habe ich zu bezahlen?“
    „Einen Groschen pro Schuh. Macht zwanzig Pfennige“, sagte Peter.
    „Und für den Knall einen Groschen dazu, macht dreißig“, lachte der Dicke jetzt und zahlte.
    „Es freut uns sehr, daß Sie zufrieden sind“, bedankte sich Peter.
    „Beehren Sie uns bald wieder!“ fügte Emil Schlotterbeck hinzu.
    „Aha, die Herren sind Kompagnons?“ fragte der Dicke und knöpfte an seinem Regenmantel.
    „Sehr richtig. Und das hier ist unsere gemeinsame Kasse, wenn’s beliebt“, grinste Peter und warf die drei Groschen in eine Zigarrenkiste. „Uruguay Brasil“ stand in Goldbuchstaben auf ihrem Deckel.
    „Na, dann flotten Geschäftsgang“, meinte der Dicke noch, dann tauchte er im Menschenknäuel der Bahnhofstraße unter.
    „Ob ich ihn nicht doch wecke?“ fragte Emil und sah zu seinem schlafenden Taxichauffeur. „Vielleicht versäumt er was —“
    „Laß ihm noch zehn Minuten“, schlug Peter vor und holte eine Rolle Orangedrops aus der Tasche.
    „Willst du?“ Emil bediente sich.
    Jetzt standen die beiden, ihre Orangedrops lutschend, an die zwei Steinsäulen gelehnt, zwischen denen sie ihre Drehstühle stehen hatten. Das war gleich links am Eingang der Bahnhofshalle, einen halben Meter über dem Bürgersteig auf einem breiten Treppenabsatz.
    Es gab genau fünfundzwanzig Schuhputzerjungen in der Stadt, weil es genau
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