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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein
Autoren: Fred Vargas
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ich gleich auf Durchmarsch geschaltet und hab ihm gedroht, ihn einzubunkern, wenn er mir weiter solchen Scheiß erzählen würde. Verweigerung der Zusammenarbeit und Unterschlagung von Beweismitteln. Alles weitere ist mir ’n bißchen peinlich, Adrien. Willlsta nicht du’s ihm erzählen?«
    »Der Wächter, Jean-Gilles Boisvenu«, fuhr Danglard fort, »hat einen Kerl gesehen, der Sonntagabend unten auf dem Pfad wartete. Er hat ihn mit seinem Nachtsichtgerät aufs Korn genommen.«
    »Aufs Korn genommen?«
    »Boisvenu war sich sicher, daß der Kerl zu den Männern ging und seinem kleinen Schumm auflauern würde«, erklärte Sanscartier. »Du weißt ja, daß der Tragestellen-Pfad ein Treffpunkt ist.«
    »Ja. Der Wächter hatte mich gefragt, ob ich dorthin ginge, zu den Männern.«
    »Das interessierte ihn sehr«, fuhr Danglard fort. »Er klebte also regelrecht an seiner Frontscheibe. Ein erstklassiger Zeuge, aufmerksamer geht’s nicht. Er war außer sich vor Freude, als er hörte, wie ein zweiter Typ sich näherte. Durch sein Fernglas konnte er alles hervorragend sehen. Aber es lief nicht so, wie er gehofft hatte.«
    »Woher wußte er, daß es die Nacht des 26. war?«
    »Weil’s Sonntag war und er auf den Wochenendwächter schimpfte, der ihn versetzt hatte. Er sah, wie der erste Kerl, ein Großer mit weißen Haaren, den anderen mit einem Ast gegen den Kopf schlug. Der andere Typ, Sie also, Kommissar, ist zu Boden gestürzt. Boisvenu hat sich ganz klein gemacht. Der Große sah böse aus, und er legte keinen sonderlichen Wert darauf, in einen Ehekrach verwickelt zu werden. Aber er schaute weiter zu.«
    »Klebte breitarschig auf seinem Sitz.«
    »Genau. Er dachte, er hoffte, daß es zu einer Vergewaltigungsszene mit einem bewußtlosen Opfer kommen würde.«
    »Verstehsta?« sagte Sanscartier mit geröteten Wangen.
    »Und tatsächlich begann der Große, dem Typ am Boden den Schal abzubinden und ihm die Jacke zu öffnen. Boisvenu hat sich wie noch nie an sein Fernglas und die Frontscheibe geheftet. Der Große hat Ihre beiden Hände genommen und sie auf irgendwas raufgedrückt. Ein Riemen, hat Boisvenu gesagt.«
    »Der Gürtel«, sagte Sanscartier.
    »Der Gürtel. Aber das Ausgeziehe und das Befummle waren an dieser Stelle zu Ende. Der Typ setzte Ihnen eine kleine Spritze in den Hals, da ist sich Boisvenu sicher. Er hat gesehen, wie er sie aus seiner Tasche geholt und den Druck überprüft hat.«
    »Die weichen Beine«, sagte Adamsberg.
    »Ich hatte Ihnen ja gesagt, daß mich irgendwas daran störte«, sagte Danglard und beugte sich zu ihm hinüber.
    »Bis zu dem Ast liefen Sie normal, Sie schwankten bloß. Aber beim Aufwachen wollen die Beine Sie nicht mehr tragen. Und am darauffolgenden Tag auch nicht. Ich kenne Alkoholmischungen und ihre Wirkungen in allen Spielarten. Der Gedächtnisverlust ist bei weitem nicht zwingend, und was die wackligen Beine angeht, die paßten einfach nicht ins Bild. Mir fehlte noch eine andere Zutat.«
    »In seinem ganz persönlichen Buch«, präzisierte Sanscartier.
    »Eine Droge, ein Medikament«, erklärte Danglard, »bei Ihnen genau wie bei allen anderen Schuldigen, die er in einen sicheren Gedächtnisverlust getaucht hat.«
    »Danach«, fuhr Sanscartier fort, »hat sich der alte Kerl wieder aufgerichtet und dich am Boden zurückgelassen. In diesem Augenblick wollte Boisvenu eingreifen, schon ab der Spritze. Ist ja nicht so, daß er ’ne Memme wär, er ist ja nicht ohne Grund Nachtwächter. Aber er konnte nicht. Kannsta nicht du ihm sagen, warum, Adrien?«
    »Weil er sich verheddert hatte und mit den Beinen festhing«, erklärte Danglard. »Er hatte sich auf seinem Sitz auf das Schauspiel vorbereitet und seinen Overall bis zu den Knöcheln runtergezogen.«
    »Boisvenu war’s peinlich, das zu erzählen, dem klemmten einfach die Körner im Arsch«, fügte Sanscartier hinzu.
    »Als er sich die ganze Kluft endlich wieder raufgezogen hatte, war der Alte auf dem Pfad schon abgedampft. Der Wächter hat dich vollkommen zerschrunst, mit blutüberströmtem Gesicht gefunden. Er hat dich bis zu seinem Pick-up geschleppt, dich hineingelegt und mit ’nem Pläd zugedeckt. Und dann hat er gewartet.«
    »Warum? Warum hat er nicht die Cochs alarmiert?«
    »Er wollte nicht, daß man ihn frug, warum er sich nicht gerührt hat. Unmöglich, die Wahrheit preiszugeben, so was konnte man nicht sagen. Und wenn er gelogen und erzählt hätte, daß er sich ins Hemd geschissen oder ein Nickerchen gemacht hat, hätte
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