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Insel meiner Traeume

Titel: Insel meiner Traeume
Autoren: Josie Litton
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    19. Juni 1811 London
    Verdammt, es war viel zu heiß. Nicht dass Alex normalerweise etwas gegen die Hitze einzuwenden hatte. Es gab kaum einen Zeitvertreib, der ihm besser gefiel, als an einem sonnigen Strand die Kleider abzustreifen und die goldene Wärme in seine Haut dringen zu lassen. Aber dieser Gedanke gehörte zu einer anderen Zeit, weit entfernt von seiner gegenwärtigen Situation, zu einer Welt, die man nicht mit dem unseligen England vergleichen konnte.
    Schlimmer noch, die Hitze stank. Die vermischten Gerüche von zweitausend verschwenderisch parfümierten Körpern erschienen ihm schrecklich genug. Aber die Kerzen in den silbernen und kristallenen Kandelabern, im ganzen Ballsaal verteilt, belasteten die ohnehin schon stickige Luft noch zusätzlich mit ihrem geschmolzenen Wachs. Beharrlich hing der penetrante Geruch in den schweren blauen Seidenvorhängen. Zu Ehren der vornehmen Gäste des Abends waren sie mit weißen Lilienwappen geschmückt. Natürlich bot die Anwesenheit der französischen königlichen Hoheiten, die sich im Exil befanden, dem Prinzregenten eine willkommene Gelegenheit, seiner Extravaganz zu frönen.
    Die hohen Fenster standen offen. Bedauerlicherweise wehte keine frische Brise in den Raum, sondern der Gestank der Londoner Straßen, der Menschenmengen, die sich immer noch draußen tummelten. Nur wenige Auserwählte - falls man zweitausend Personen so bezeichnen konnte -hatten die heiß begehrten Einladungen zur Eröffnung des soeben renovierten Carlton House erhalten. Wochenlang hatte das Geräusch knirschender Zähne mit dem Klang flehender Schmeicheleien konkurriert, während alle Benachteiligten sich verzweifelt bemühten, eine gesellschaftliche Katastrophe abzuwenden.
    Wie gern hätte Alex seine Einladung irgendjemandem geschenkt, der Wert darauf legte... Doch das war unmöglich gewesen. Also musste er wohl oder übel auf diesem Fest ausharren, wenn auch nur für ein paar Stunden.
    Es fiel ihm schwer zu entscheiden, was seine Nerven am schmerzlichsten strapazierte: die Hitze, der Geruch oder der ständig anschwellende Lärm - das Stimmengewirr der schwatzenden Gäste, die einander zu übertönen suchten, das Gedudel der Musiker, die ihr Bestes gaben, obwohl niemand Platz fand, um zu tanzen. Kurzfristig lenkte er sich von seiner Qual ab, indem er mit Lady Eleanor Lampert plauderte, einer charmanten brünetten Witwe, die sofort nach seiner Ankunft zu ihm geeilt war. Knapp siebzehn Lenze alt, hatte sie einen schwerreichen 70-jährigen Lord geheiratet. Wahrscheinlich war ihm das Risiko bewusst gewesen. Sechs Monate später hatte er das Zeitliche gesegnet, und man munkelte, er sei mit seinem Banner am eindrucksvoll emporragenden Mast seiner Männlichkeit ins Jenseits hinübergegangen.
    Jetzt genoss Lady Lampert das Leben in vollen Zügen. Sie weigerte sich, eine zweite Ehe in Betracht zu ziehen. Stattdessen wahrte sie vernünftigerweise ihre Unabhängigkeit und wählte ihre Amüsements sehr sorgfältig. Alex hatte eine versierte, weltgewandte Bettgefährtin in ihr gefunden, die seinen Wünschen entsprach. Eine Frau, die sich vorü-bergehend an seinen Arm hängte, konnte er akzeptieren; aber eine, die ihn vor den Traualtar schleppen wollte, gewiss nicht. Wenn er eines Tages heiraten sollte, wozu er sich irgendwann entschließen musste, würde es in jener anderen Welt geschehen, die eine so unerwartete Sehnsucht in ihm geweckt hatte. Seine Aufgaben hielten ihn länger in England fest, als es ihm gefiel. Nun, das ließ sich nicht ändern. Über den Kurs, den er freiwillig eingeschlagen hatte, durfte er nicht klagen.
    Wie auch immer, er würde bald flüchten. Nicht nur aus diesem unseligen Ballsaal, sondern aus England. Er hatte seine Pflichten erfüllt, zumindest vorerst. Und er war viel zu lange vom Ziel seiner Träume entfernt gewesen. Nur noch wenige Tage, und er würde frei sein...
    Ein paar Tage... Kaum zu glauben, dass sie erst seit so kurzer Zeit nach ihm suchte. Wie eine halbe Ewigkeit kam es ihr vor. Sie hatte mehrmals in seiner Londoner Residenz vorgesprochen und ihre Visitenkarte hinterlassen, die ignoriert wurde. Allmählich erkannte sie, er müsste das Personal schon am ersten Tag angewiesen haben, sie keinesfalls über seinen Verbleib zu informieren. Diese demütigende Behandlung trieb ihr das Blut in die Wangen. Trotzdem stand ihr Entschluss fest. Ihre Verlegenheit und die bittere Enttäuschung spielten keine Rolle - es waren nur geringfügige Unannehmlichkeiten. Sogar ihr
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