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Der versunkene Wald

Titel: Der versunkene Wald
Autoren: Michel Rouzé
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dein Rad so zugerichtet hat. Sag deinen Eltern, daß sie den Mann anzeigen sollen. Er hätte dich beinahe umgebracht, und dann ist er ausgerückt, statt sich um dich zu kümmern.“
    Sie bedankten sich für den Hinweis und fuhren weiter.
    „Du solltest das wirklich machen“, sagte Raymond. „Der Bursche muß dir ein neues Rad bezahlen.“
    „Laß nur!“ sagte Jean. „Wir müssen ihm eigentlich dankbar sein. Wenn mein Rad heilgeblieben wäre, dann hätte ich nie den Dynamo in meinen Brotbeutel gepackt, wir hätten unser Elektrizitätswerk nicht einrichten können und säßen wahrscheinlich noch immer da unten im Dunkeln …“
    Es schauderte sie bei dem Gedanken.
    Die Brüder Petit waren vor der Villa ihrer Eltern angekommen. Sie baten die Freunde, mit hineinzukommen.
    Herr und Frau Petit waren außer sich, als sie die abenteuerliche Geschichte der Meerkatzen hörten. Aber sie vergaßen dabei nicht, ihnen ein paar Flaschen Limonade vorzusetzen, die hochwillkommen waren.
    In Carolles trafen die Jungen Herrn Ternet immer noch oder gerade wieder in seinem Liegestuhl ausgestreckt zeitunglesend im Garten an. Er gab seinem Sohn einen Kuß und vertiefte sich aufs neue in seine Lektüre. Es war erstaunlich, daß die Welt sich in vier Tagen in keiner Weise verändert hatte, — während den Meerkatzen so Außerordentliches begegnet war.
    Als nächster blieb Pierre in Saint-Pair zurück und ließ die Freunde allein weiterfahren, Raymond und Jacques nach Granville, Michel nach Brehal. Jetzt, nachdem die Räder nicht mehr überbelastet waren, würden sie rasch vorwärtskommen.
    „Na, mein Junge, war’s schön?“ fragte Herr Faugeras.
    „Ja, Vater. Ich muß dir eine Menge erzählen.“
    „Das ist ja fein. Mutter ist mit dem Kleinen noch am Strand, aber sie werden bald wieder da sein. Dann erzählst du uns allen Zusammen von deinen Abenteuern.“
    „Ich würde dich lieber erst allein sprechen. Können wir nicht in dein Arbeitszimmer hinaufgehen? Es sind ernste Dinge, mußt du wissen.“
    „Wirklich?“ fragte der Ingenieur und unterdrückte ein Lächeln. „Gut, wenn du möchtest, gehen wir hinauf.“
    Sie nahmen in zwei Sesseln vor dem mit Plänen und Zeichnungen bedeckten Schreibtisch Platz. Die Wände waren mit Karten und graphischen Darstellungen bedeckt, die sich alle auf das geplante Kraftwerk am Ärmelkanal bezogen.
    Pierre begann sachlich zu berichten was sie erlebt hatten von dem Augenblick an, als die Meerkatzen sich gewaltsam den Zutritt zu der verbotenen Treppe erzwangen. Herr Faugeras lächelte nicht mehr. Er hörte seinem Sohn aufmerksam zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. Aber seinem Gesicht war anzusehen, wie stark ihn der ungewöhnliche Bericht interessierte.
    Pierre beschrieb ausführlich die Entdeckungen, die sie in dem unterirdischen Gang gemacht hatten; schneller ging er über alles hinweg, was für den Vater keine besondere Wichtigkeit haben konnte. Als er geendet hatte, stand Herr Faugeras auf und ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. Dann blieb er vor seinem Sohn stehen.
    „Hast du die Münze noch?“ fragte er.
    „Dummerweise nicht“, antwortete Pierre niedergeschlagen. „Wir hatten sie uns noch einmal im Feuerschein genauer angesehen. Erst am nächsten Tage ist mir eingefallen, daß sie dort liegengeblieben sein muß.“
    „Erinnerst du dich wenigstens noch an die Inschrift?“
    „Ich entsinne mich, daß da ein Name stand: VICTORINVS. Und dann noch ein lateinisches Wort, aber das habe ich vergessen.“
    „Victorinus!“ rief Herr Faugeras aus. „Ein Geldstück aus dem dritten Jahrhundert! Und der Meilenstein? Was stand auf dem Meilenstein?“
    „Die Inschrift war kaum mehr zu lesen. Aber ich habe mir auf geschrieben, was man noch entziffern konnte.“
    Pierre zog ein Notizbuch aus der Tasche, riß ein Blatt heraus und reichte es dem Vater.
    Dieser buchstabierte laut:

    „Wieder Victorinus! Es ist kein Zweifel möglich. Der Meilenstein stammt aus dem dritten Jahrhundert!“
    „Und was bedeuten die anderen Buchstaben?“ fragte Pierre.
    „L ist die Abkürzung von leuga, Wegstunde. Im Gallien der Römerzeit wurden die Entfernungen oft nach Wegstunden berechnet. AB AL, das ist die Entfernung AB ALAVNA, das heißt ,von Valognes‘. Die Römerstraße von Valognes nach Avranches ging demnach durch die heutige Bucht von Saint-Michel. Also ist dieses ganze Gebiet erst später dem Meere zum Opfer gefallen. Das war immer meine Ansicht, aber ich konnte sie nicht sicher
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