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Der versunkene Wald

Titel: Der versunkene Wald
Autoren: Michel Rouzé
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hier aus die Abtei. Sie zerstörten die Kapelle und bauten an ihrer Stelle ein Festungswerk, das sie mehrere Jahre besetzt hielten. Zu vielen Malen brachen sie bei Ebbe daraus hervor, um den ,Mont‘ zu erstürmen, immer aber wurden sie zurückgeschlagen. Es gelang ihnen nie, Saint-Michel zu erobern, und zuletzt vertrieb sie der Kronfeldherr de Richemont auch von Tombelaine.
    Pierre hatte von seinem Vater viel über die Geschichte von Tombelaine gehört und erinnerte sich an eine ganze Menge Einzelheiten.
    „Unter Ludwig XIV.“, erzählte er, „ließ der berühmte Oberaufseher der Finanzen Fouquet sich auf Tombelaine ein Schloß bauen. Nachdem man ihn festgenommen hatte, weil er sich noch großzügiger als der König selber aus dem Staatsschatz zu versorgen pflegte, wurde das Schloß abgerissen. Seither ist Tombelaine eine wüste Insel.“
    „Die Engländer werden von dem unterirdischen Gang nichts gewußt haben, durch den wir gekommen sind. Sonst hätten sie es leicht gehabt, ins Innere der Abtei einzudringen“, überlegte Raymond.
    „Nicht einmal die Verteidiger werden ihn mehr gekannt haben. Sie hätten sonst gut einen Überraschungsangriff auf Tombelaine machen können. Die Mönche der Abtei sind möglicherweise noch bis zu dem Teich mit den blinden Fischen gekommen, aber nicht über die Mauer hinaus, die wir durchbrochen haben. Die Mauer ist sicher lange vor dem Einbruch des Meeres gebaut worden. Jetzt, wo sie zerstört ist, wird der untere Teil völlig überschwemmt sein, und niemand wird dort noch Untersuchungen anstellen können.“
    „Dann werden sie uns womöglich gar nicht glauben, was wir erzählen?“ meinte Jean traurig.
    Die Nacht war herabgesunken, die vierte seit dem Beginn ihres Abenteuers …
    „Und was ist mit unserer Fischerei?“ fragte auf einmal Suzanne.
    „Ich habe sie schon nicht vergessen“, antwortete Raymond. „Aber wir müssen erst die Ebbe abwarten. In einer Stunde ist es soweit.“
    Sie machten sich schon früher auf den Weg, weil sie nichts Besseres zu tun wußten. Das mittägliche Festmahl lag schon lange zurück, und sie hatten alle bereits wieder Appetit auf etwas Gutes. Fische würden gerade das Richtige sein — gesetzt den Fall, daß sie sich hatten fangen lassen!
    Die Meerkatzen hatten den Tornister mit dem Elektrizitätswerk mitgenommen, um nicht im Dunkeln tappen zu müssen. Aber der Nebel schwamm in einem matten Licht.

    Während sie unterwegs waren, erhob sich ein leichter Wind; ein Stückchen gestirnten Himmels kam zum Vorschein, dann die volle Scheibe des aufgegangenen Mondes. Sie brauchten ihre eigene Beleuchtung nicht mehr. Bald klarte es vollständig auf. Als sie am Rande der Klippe anlangten, schimmerte die silberne Fläche der zurückflutenden See im Mondlicht, und ganz nahe hob sich das majestätische Massiv des Mont Saint-Michel ab, der seine Turmspitze in die kristallklare Nacht emporreckte.
    Sie betrachteten lange das eindrucksvolle Bild. Unter ihnen lag, deutlich erkennbar, die Fischerei. Sie schien von hier aus so klein, daß sie sich doch wieder fragten, ob sich wirklich ein Fisch darin gefangen haben könnte, — wenn er nicht gerade freiwillig seinem Leben hatte ein Ende bereiten wollen.
    „Kommt!“ sagte Raymond. „Wir müssen den Fang einholen.“
    Die Fischerei hatte dem Ansturm der Wellen gut standgehalten. Die Ebbe hatte ihre Mäuerchen leicht mit Sand umkleidet und sie dadurch gleichsam verkittet, und das kunstvoll angelegte Becken hatte alles eingeschwemmte Wasser bewahrt.
    Raymond zog aus dem Tornister das Netzhemd hervor, das er im unterirdischen Gang schon einmal zum Fischfang benutzt hatte. Er befestigte es mit den Enden sorgfältig zwischen den Mauersteinen der meerwärts gerichteten Seite und beauftragte zur Sicherheit Pierre und Suzanne, es festzuhalten. Dann stieg er in das Beckeninnere und nahm dort behutsam einen Stein weg, den er vorsorglich so gelegt hatte, daß er entfernt werden konnte, ohne den ganzen Bau zu gefährden. Das Wasser strömte zu der Lücke.
    „Da sind Fische!“ rief Suzanne.
    „Bleibt, wo ihr seid!“ befahl Raymond. „Vor allen Dingen das Netz festhalten!“
    Binnen wenigen Minuten war das Wasser abgelaufen. Sie hoben ihr Netz an. Eine Menge Fische zappelten darin; ihre silbrigen Schuppen glänzten im Mondlicht. Sie stopften die Beute in den Brotbeutel.
    „Nehmt euch in acht vor dem Seeaal!“ rief Raymond.
    Zwischen Breitlingen, Meeräschen und anderen Fischen, deren Namen sie nicht kannten, öffnete
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