Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der versunkene Wald

Titel: Der versunkene Wald
Autoren: Michel Rouzé
Vom Netzwerk:
Und meine Verwandten dachten, ich wäre mit nach Paris gefahren! Es konnte gar nicht besser passen! Kein Mensch hat sich um uns geängstigt!“
    „Nur wir drei!“ bemerkte Michel. „Wir haben fürchterliche Angst bekommen, als wir auf dem Mont Saint-Michel hörten, daß ihr spurlos verschwunden wart. Aber sag doch, Suzanne, ist das tatsächlich wahr, was Raymond da erzählt? Mit der Treppe, dem unterirdischen Gang, der Überschwemmung? Habt ihr euch nicht womöglich die ganze Geschichte ausgedacht, als eine Art Entschuldigung, weil ihr uns weggelaufen seid?“
    „Soviel Phantasie haben wir nicht“, sagte Suzanne. „Und wir geben euch unser Meerkatzen-Ehrenwort darauf.“
    „Zeig ihnen doch die Fische!“ rief Jean.
    „Welche Fische?“
    „Die blinden Fische von da unten. Wir hatten sie in ein Taschentuch gewickelt.“
    „Die braucht ihr nicht zu suchen“, gestand Suzanne, als sie sah, wie Raymond im Tornister zu wühlen begann. „Ich habe sie auf Tombelaine wegwerfen müssen. Man hätte sie einsalzen oder in Alkohol legen müssen, wenn man sie aufheben wollte. Sie waren schon vollkommen verwest. Man hätte nicht mehr feststellen können, ob sie Augen hatten oder nicht.“
    „Dann haben wir ja gar keinen Beweis!“ rief Jean. „Ich habe euch gleich gesagt, daß niemand uns glauben wird!“
    „Unsinn!“ beruhigte ihn Punkt Eins. „Michel hat es doch nicht so ernst gemeint. Er weiß ganz genau, daß Meerkatzen nicht lügen …“
    „Wollt ihr heute noch zum ,Mont‘ zurück und eure Räder holen?“ fragte Punkt Zwei.
    „Nein“, entschied Raymond. „Das würde zu lange dauern. Bis jetzt haben unsere Eltern sich nicht gesorgt, nun wollen wir auch rechtzeitig wieder zurück sein. Ihr habt den Parkwächter ja bezahlt, da können wir ebensogut morgen, wenn wir uns ausgeruht haben, mit dem Omnibus zum ,Mont‘ fahren.“
    Die letzten Augenblicke des Zusammenseins waren voll Rührung. Die Ferien näherten sich ihrem Ende, die Meerkatzen mußten sich trennen und würden sich erst im nächsten Sommer wieder zusammenfinden. Sie taten einen feierlichen Schwur, niemandem außer ihren Eltern von dem unterirdischen Gang zu erzählen, bevor sie selber wieder hier waren. Auch die Eltern würden versprechen müssen, das Geheimnis bis zum nächsten Jahre zu hüten. Der Durchgang zwischen dem ,Mont‘ und der Insel Tombelaine war für alle Zeit vom Meer überflutet, noch aber blieb die verborgene Treppe in der Abtei und der obere Gang, in den man bei Ebbe eindringen konnte …
    Pierre malte sich die Freude seines Vaters aus. Seit langen Jahren stellte der Ingenieur Faugeras seine Forschungen über die Küstenverschiebungen am Ärmelkanal an. Pierre hatte ihn oft sagen hören, wie bedauerlich es wäre, daß noch immer der schlüssige Beweis dafür fehle, wann das Gebiet um den Mont Saint-Michel herum überflutet worden war und ob das wirklich erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit geschehen sei. Jetzt konnten sie, die Meerkatzen, ihm den Beweis liefern. Sie hatten mit eigenen Augen den Meilenstein gesehen, diesen letzten Zeugen der Römerstraße, die quer durch die heutige Bucht lief. Und sie hatten eine Eiche aus dem Wald von Quokelunde mit ihren Händen berührt.
    Suzanne war die erste, die von den Gefährten Abschied nahm. Sie sprang auf den Omnibus nach Avranches, der gegen vier Uhr an der Haltestelle eintraf.

    „Jetzt sind wir noch sieben“, überlegte Punkt Eins, „und haben drei Räder. Wenn wir uns zusammenquetschen, können wir euch bis zu uns nach Saint-Jean-le-Thomas mitnehmen. Dann nehmt ihr unsere Räder und fahrt damit nach Hause.“
    Die Fahrt ging fröhlich vonstatten. Punkt Eins fuhr im Zickzack mit einem Beifahrer auf dem Gepäckträger und einem weiteren auf der Querstange. Als sie in Saint-Jean-le-Thomas einfuhren, hörten sie sich angerufen:
    „Hallo, die jungen Herren!“
    Es war der Händler, bei dem sie die Trümmer von Jeans Fahrrad gelassen hatten.
    „Gut, daß ich dich sehe!“ rief er Jean zu. „Hast du dir neulich gemerkt, welche Nummer der Wagen hatte, der dich umgeworfen hat?“
    „Ich weiß nur, daß es ein großer blauer Wagen war … Er fuhr viel zu weit links. Der Mann ist imstande, noch alles mögliche anzurichten.“
    „Das ist vorbei“, sagte der Händler. „Noch vor Carolles ist er ins Schleudern gekommen, und sein Wagen ist gegen einen Baum geprallt. Der ist hin. Ich habe gesehen, wie ein Autoschlosser von Avranches ihn abgeschleppt hat. Es war bestimmt derselbe, der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher