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Einarmige Banditen

Einarmige Banditen

Titel: Einarmige Banditen
Autoren: Ulf Blanck
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Spartorte
    »Lecker! Deine Kirschtorte ist mit Abstand die  beste der Welt«, strahlte Justus und nahm seine  Kuchengabel in die Hand. Stolz stellte Tante  Mathilda die Torte auf den Tisch. »Ach, ich weiß nicht«, schmunzelte sie verlegen. In Wirklichkeit hatte sie schon mehrere Preise beim jährlichen Backwettbewerb in Rocky Beach gewonnen. Eine  ganze Wand ihrer Küche war mit Urkunden  zugehängt. Auch Peter und Bob saßen an diesem  sonnigen Vormittag auf der Veranda und freuten  sich über die Torte. Sie hatten sich hier verabredet, um anschließend zum Baden an den Strand zu fahren. Rocky Beach lag direkt am Pazifischen  Ozean in Kalifornien. Die warme Luft war erfüllt mit dem süßen Duft der Kirschen. Justus stopfte ein großes Stück in seinen Mund und lehnte sich zufrieden zurück. »Gibt es heute keine Sahne dazu?«  Seine Tante wischte sich umständlich die Hände  an der Schürze sauber. »Nun ja, es ist so: In der Hitze, da kann Sahne schnell schlecht werden. Und heute ist es besonders heiß, versteht ihr?«  Sie war eine schlechte Lügnerin, denn dieser Tag war genauso heiß wie alle anderen. Schließlich nahm sie auf einem der Stühle Platz und fächerte sich mit der Hand Luft zu. »Ach Kinder, natürlich ist das Quatsch. In Wirklichkeit ist mal wieder meine Haushaltskasse leer. Seit Tagen lasse ich  schon in Porters Geschäft anschreiben.«  Den drei Freunden war schlagartig der Appetit  vergangen und Justus schämte sich, dass er nach  der Sahne gefragt hatte. Der kleine Schrotthandel auf dem Grundstück warf in letzter Zeit nicht gerade viel Geld ab. Justus lebte zusammen mit  seiner Tante und Onkel Titus am Stadtrand von  Rocky Beach. Seine Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, als er fünf Jahre alt war.  Entschlossen stellte Justus seinen Teller zurück auf den Tisch. »Ach was. Sahne macht nur dick. Und die Torte müssen wir auch nicht gleich an einem  Tag aufessen.« Wie auf Kommando schoben auch

    seine beiden Freunde ihre Teller von sich fort. Peter wischte sich mit einer Serviette den Mund sauber.
    »Genau. Außerdem soll man vor dem Schwimmen  eigentlich gar nichts essen, oder, Bob?«

    »Mann, das hätten wir fast vergessen. Natürlich.  Aber zum Glück kann man ja alles einfrieren.«  Tante Mathilda musste lächeln. Sie wusste, dass  die drei in Wahrheit am liebsten weitergegessen  hätten. »Ach was, so schlimm ist es nun auch  wieder nicht. Auch wenn wir manchmal auf einiges verzichten müssen, Kirschtorte wird es im Hause Jonas immer geben. Wo kämen wir denn sonst hin?  Außerdem habe ich den ganzen Keller voll mit eingeweckten Kirschen. So, und nun haut rein, Jungs.«  Das ließen sich die drei nicht zweimal sagen und schnappten sich schnell wieder ihre Teller.  Nach dem dritten Stück spuckte Justus zufrieden  einen Kirschkern in hohem Bogen in den Garten.
    »Ohne Sahne fühlt man sich gleich viel leichter.«  Seine beiden Freunde sagten lieber nichts dazu.
    »Ich weiß, was ihr denkt«, lachte Justus. »Aber ich bin nicht dick, sondern nur ein paar Zentimeter zu kurz für mein Gewicht.«  In diesem Moment hörten sie, wie sich ein Auto  mit kaputtem Auspuff näherte. Kurz darauf fuhr der alte Pick-up von Onkel Titus laut knatternd auf das Grundstück. Er war am Morgen aufgebrochen, um einen reparierten Kühlschrank zu verkaufen. Doch der stand immer noch auf der Ladefläche des Transporters. Tante Mathilda schüttelte enttäuscht den Kopf. »Ach, herrje. Er ist das Ding nicht losgeworden.«  Doch es kam ganz anders. Mit einem großen Satz  sprang Onkel Titus aus dem Wagen und strahlte  übers ganze Gesicht. Auf dem Kopf trug er einen  weißen Cowboyhut und an seinem Hals baumelte  ein Lederband mit goldenem Verschluss. Seine  Frau ließ vor Schreck den Tortenheber fallen.
    »Titus! Was ist denn mit dir passiert?«  Lässig schlug ihr Mann die Autotür zu, zündete  sich eine dicke Zigarre an und stieg gemächlich die Stufen zur Veranda hoch. Mit großen Augen starrten ihn alle an. Plötzlich griff Onkel Titus in seine Hosentasche und warf ein Bündel Geldscheine auf den Tisch. »Jackpot! Heute ist mein Glückstag. Ich habe gewonnen!«

Jackpot
    Justus blieb die Kirschtorte im Hals stecken. »Du hast was?«
    »Tja, da staunt ihr, oder? Manchmal hat man eben Glück. Das sind genau einhundert Dollar in kleinen Scheinen. Den Hut gab es dazu. Viva Las Vegas!«  Ungläubig nahm seine Frau die Banknoten in die  Hand. »Moment,
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