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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte
Autoren: Julia Stuart
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plötzlich über die Goldmeerkatze Guoliang, die einst der Königin gehört hatte. »Sie war ein Geschenk des chinesischen Präsidenten. Er hat sie Ihrer Majestät nach seinem Staatsbesuch im Jahre 2005 zukommen lassen«, erzählte er.
    Balthazar Jones interessierte sich nicht für Goldmeerkatzen, königlich oder nicht. Er schaute aus dem Fenster und fragte sich, ob der persönliche Diener Ihrer Majestät wegen seiner erbärmlichen Bilanz im Stellen von Taschendieben gekommen war, was unter den Beefeatern als schlimmes Versäumnis galt. Als er wieder zuhörte, stellte er fest, dass Oswin Fielding immer noch von Guoliang sprach.
    »Der Tod dieses Wesens hat Ihrer Majestät großen persönlichen Kummer bereitet«, sagte er soeben und schüttelte den Kopf, auf dem kaum hinreichend Haare wuchsen, um den überaus präzisen Scheitel zu rechtfertigen. »Jemand bei Hofe hat den Namen nachgeschlagen und herausgefunden, dass er Möge das Land freundlich sein bedeutet, was das Ableben des Tieres noch unerfreulicher erscheinen ließ. Die Sache hat zu denkbar großen diplomatischen Querelen geführt. Goldmeerkatzen kommen aus China, und es gibt nicht mehr viele Exemplare davon. Wir haben den Chinesen erklärt, dass wir sofort, als sich das Tier unwohl zu fühlen schien, einen Feng-Shui-Experten hinzugezogen und das Gehege umgestaltet haben, aber sie wirkten nicht sonderlich beeindruckt. Aus irgendeinem Grund hatten sie es sich in den Kopf gesetzt, dass Guoliang im Buckingham Palace hätte wohnen sollen. Mit der Ausnahme ihrer Pferde hält die Königin aber sämtliche Tiere, die ihr von Staatsoberhäuptern geschenkt werden, im Londoner Zoo. Was im Übrigen zu begrüßen ist, da der Palast auch so schon das reinste Affenhaus ist.« Der Höfling machte eine Pause. »Aber das muss unter uns bleiben«, fügte er dann schnell hinzu.
    Gerade als Balthazar Jones es nicht mehr aushielt, rückte Oswin Fielding seine randlose Brille zurecht und erklärte, dass er ihm etwas von größter Wichtigkeit mitzuteilen habe. Dem Beefeater stockte der Atem.
    »Wie Sie vermutlich wissen, befinden sich die Beziehungen zwischen Großbritannien und China in einer heiklen Phase. Da die Chinesen aber auf dem Weg zu einer Großmacht sind, müssen wir uns das Land unbedingt gewogen halten«, sagte der Höfling bestimmt. »Niemand hat die unglückselige Bemerkung von Prinz Philip, dem Herzog von Edinburgh, vergessen, dass britische Studenten, die zu lange in China bleiben, irgendwann Schlitzaugen bekommen. Als Geste des guten Willens hat China Ihrer Majestät eine zweite Goldmeerkatze geschenkt. Eine Schande, wirklich, denn die Rasse ist nicht gerade schön anzuschauen – Stupsnase, bläuliches Gesicht und eine Haarfarbe wie Sarah Ferguson. Die Königin hat das Tier aber nun am Hals. Schlimmer noch, die Chinesen haben die Ähnlichkeit der Haarfarbe auch bemerkt und das Tier Herzogin von York genannt. Verständlicherweise ist Ihre Majestät ziemlich empört.«
    Der Beefeater war drauf und dran, den persönlichen Diener Ihrer Majestät zu fragen, warum er ihn eigentlich sprechen wollte, doch der Mann redete bereits weiter.
    »Obwohl die Königin dem Londoner Zoo die allerhöchste Wertschätzung entgegenbringt, ist sie entschlossen, die neue Meerkatze und auch ihre anderen Tierpräsente, die dort gehalten werden, an einem intimeren Ort unterzubringen. Das Problem ist nämlich, dass ausländische Herrscher es immer als Affront betrachten, wenn eine ihrer Kreaturen stirbt.«
    Der Höfling lehnte sich mit verschwörerischer Miene vor. »Ich bin mir sicher, dass Sie längst erraten haben, wo die Tiere untergebracht werden sollen«, sagte er.
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Balthazar Jones, der darüber nachdachte, ob er sich ein Bier holen sollte.
    Oswin Fielding senkte die Stimme und verkündete: »Sie werden in den Tower gebracht werden, um dort eine neue Königliche Menagerie zu begründen.«
    Der Beefeater fragte sich, ob der Regen sein Trommelfell aufgeweicht hatte.
    »Die Idee ist nicht so verrückt, wie sie klingt«, beharrte der Mann vom Palast. »Seit dem dreizehnten Jahrhundert wurden im Tower exotische Tiere gehalten. Fremde Staaten haben dem Königreich immer wieder das eine oder andere Exemplar geschickt, und die Menagerie war eine außerordentlich beliebte Touristenattraktion. Erst in den Dreißigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts wurde sie geschlossen.«
    Wie alle Beefeater wusste Balthazar Jones nur zu gut, dass der Tower eine Menagerie
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