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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg
Autoren: Agatha Christie
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schießt sich ein großer Pariser Finanzmann eine Kugel durch den Kopf. So ist das!«
    »Wie dramatisch Sie das darzustellen wissen, Leblanc. Aber es ist gar nicht so erstaunlich. Die großen Staatsmänner und die großen Bankiers sitzen hinter ihren gewichtigen Schreibtischen und erlassen scheinbar wichtige Verfügungen. Aber das ist alles nur Trug und Schein. Denn hinter ihnen steht ein unauffälliger kleiner Mann, der die wirkliche Macht in seinen Händen hält und dessen Marionetten sie sind. Es ist eigentlich gar nicht überraschend, dass Aristides hinter dieser merkwürdigen, geheimnisvollen Angelegenheit steht – und wenn wir gescheiter gewesen wären, so hätten wir es längst herausgefunden. Das Ganze ist bestimmt eine enorme Finanzspekulation. Mit Politik hat es nichts zu schaffen. Nun fragt es sich aber, was wir unternehmen sollen«, schloss er.
    Leblancs Gesicht verfinsterte sich.
    »Das ist keine leichte Aufgabe. Wenn wir Unrecht hätten – die Folgen wären nicht abzusehen. Und selbst wenn wir Recht haben, müssen wir es unwiderleglich beweisen. Und wenn wir Nachforschungen anstellen, so können diese abgeblasen werden – von höchster Stelle aus, verstehen Sie? Tja, es ist eine verdammt schwierige Sache… Aber«, er hob wieder seinen Zeigefinger in die Höhe – »frisch gewagt ist halb gewonnen.«

20
     
    D ie Autos quälten sich die steile Gebirgsstraße hinauf und hielten vor dem in den felsigen Grund eingelassenen Gitter.
    Es waren vier Wagen. Im ersten saßen ein französischer Minister und der amerikanische Botschafter, im zweiten der britische Konsul, ein Parlamentsmitglied und der Polizeipräsident. Im dritten Wagen befanden sich zwei Mitglieder einer staatlichen Kommission und zwei bekannte Journalisten. Jede dieser wichtigen Persönlichkeiten hatte die übliche Begleitung mitgenommen. Im vierten Wagen saßen ein paar Leute, von denen die Öffentlichkeit sehr wenig wusste, die aber in ihrem eigenen Metier sehr bekannt waren: Captain Leblanc und Mr Jessop.
    Die tadellos gekleideten Fahrer öffneten die Wagentüren und verneigten sich tief, als die Herren ausstiegen.
    »Hoffentlich besteht hier keine Möglichkeit der Ansteckung!«, sagte der Minister besorgt. Einer seiner Begleiter erwiderte beruhigend:
    »Nicht im Mindesten, Herr Minister. Es sind alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Man sieht sich alles nur aus sicherer Entfernung an.«
    Der Minister, ein schon älterer und ängstlicher Mann, atmete sichtlich erleichtert auf. Der Botschafter machte ebenfalls eine beruhigende Bemerkung hinsichtlich der fortgeschrittenen Behandlung der Aussätzigen.
    Die großen Torflügel schwangen auf. Auf der Schwelle stand eine kleine Gruppe von Menschen, um die Ankommenden zu begrüßen: der dunkle, untersetzte Direktor, der stellvertretende Direktor, stattlich und blühend, zwei medizinische Kapazitäten und ein bedeutender Chemiker. Es erfolgte eine lebhafte und umständliche Begrüßung in französischer Sprache.
    »Und wo ist unser lieber Aristides?«, fragte der Minister. »Ich hoffe, dass er nicht durch eine Indisposition abgehalten wurde zu kommen, wie er uns versprochen hat.«
    »Monsieur Aristides ist gestern aus Spanien angekommen und erwartet Sie im Innern des Hauses«, sagte der stellvertretende Direktor. »Gestatten Sie mir, Exzellenz, Ihnen den Weg zu zeigen.«
    Die Gesellschaft folgte ihm. Der Minister, immer noch leicht besorgt, spähte durch die schweren Gitter zur Rechten, wo die Aussätzigen, in Reihen geordnet, möglichst weit weg standen. Er schien erleichtert. Seine Vorstellungen vom Aussatz waren noch durchaus mittelalterlich.
    In der luxuriös möblierten Empfangshalle erwartete Monsieur Aristides seine Gäste. Es fanden die üblichen Vorstellungen und Verbeugungen statt. Alsdann wurden durch die dunkelhäutige, weiß gekleidete Dienerschaft Aperitifs herumgereicht.
    »Das ist ja eine großzügige Anlage hier«, bemerkte einer der jüngeren Journalisten, zu Aristides gewandt.
    »Ich bin allerdings stolz auf diese Kolonie«, sagte der Angeredete. »Ich möchte sie sozusagen als meinen Schwanengesang bezeichnen, mein letztes Geschenk an die Menschheit. Es wurde bei ihrer Einrichtung an nichts gespart.«
    »Das kann man wohl sagen«, stimmte einer der Ärzte mit Begeisterung zu, »diese Forschungsanstalt bedeutet für den Wissenschaftler einen zur Wirklichkeit gewordenen Traum. In den Staaten haben wir auch ganz schöne Institute, aber im Vergleich zu dem, was ich hier kennen
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