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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg
Autoren: Agatha Christie
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Gegend flog, entdeckte er ein Lichtsignal. Es handelte sich um Morsezeichen, die zweimal wiederholt wurden. Hier die Niederschrift.«
    Er legte die Botschaft vor Jessop hin. Da stand:
     
    COGLEPROSESL
     
    Die beiden letzten Buchstaben trennte er mit einem Bleistift von den anderen.
    »SL – das ist unser Code für ›keine Bestätigung‹.«
    »Und COG, der Anfang der Botschaft«, sagte Jessop, »ist unser Erkennungszeichen.«
    »Dann ist der mittlere Teil die wirkliche Nachricht.« Er unterstrich ihn. »Sie lautet: LEPROSE.« Er betrachtete sie voller Zweifel.
    »Leprose?«, sagte Jessop. »Was ist damit gemeint? Gibt es da eine Leprakolonie?«
    Leblanc breitete eine große Landkarte aus.
    »Hier«, sagte er und bezeichnete mit seinem nikotingelben Zeigefinger eine Stelle, »das ist das Gebiet, das unser Pilot überflogen hat. Ich werde einmal nachsehen.«
    Er ging hinaus und kam gleich darauf zurück.
    »Ich hab’s«, sagte er, »es befindet sich dort eine berühmte ärztliche Forschungsstation, die von bekannten Menschenfreunden gegründet wurde und erhalten wird – in einer sehr abgeschiedenen Gegend übrigens. Es befinden sich etwa zweihundert Aussätzige in der Kolonie. Ferner hat man auch eine Station für Krebsforschung und ein Sanatorium für Lungenkranke errichtet. Alles ganz erstklassig. Der Präsident der Republik hat persönlich das Protektorat übernommen.«
    »Eine sehr schöne Sache also«, sagte Jessop anerkennend.
    »Und man kann sich jederzeit darüber orientieren. Es kommen oft Ärzte dorthin, die sich für solche Anlagen interessieren.«
    »Und die nur das sehen, was sie sehen sollen. Warum auch nicht? Zweifelhafte Geschäfte kann man unter dem Anschein großer Menschenfreundlichkeit am besten verhüllen.«
    »Mag sein«, sagte Leblanc in ungewissem Ton. »Nehmen wir an, dass es für manche Leute einen kurzen Aufenthalt von einem Tag bedeutet. Eine kleine Gruppe von Menschen, wie zum Beispiel die, deren Spur wir verfolgen, kann ganz gut ein paar Wochen dort beinahe wie verschollen zubringen, ehe sie ihre Reise fortsetzen.«
    »Es könnte aber doch mehr dahinter stecken«, entgegnete Jessop. »Vielleicht ist es das Ende der Reise überhaupt.«
    »Sehen Sie schon wieder Gespenster?«
    »Eine Leprakolonie scheint mir jedenfalls verdächtig… Bei dem heutigen Stand der Wissenschaft werden Aussätzige zuhause behandelt.«
    »Vielleicht in zivilisierten Ländern. Aber hier nicht.«
    »Nein. Aber man hat bei dem Wort ›Aussatz‹ immer das Bild der Aussätzigen des Mittelalters vor Augen, die sich mit einer Schelle bemerkbar machen mussten, wenn jemand in ihre Nähe kam. Aus gewöhnlicher Neugier kommen die Leute nicht in eine Leprakolonie; diejenigen, die dorthin kommen, sind sicherlich Mediziner. Sie haben ein wissenschaftliches Interesse daran, oder aber es sind Menschenfreunde, welche die Lebensbedingungen der Aussätzigen studieren wollen – und das ist ohne Zweifel bewundernswert. Aber hinter der Maske der Barmherzigkeit und Menschenfreundlichkeit kann allerhand stecken. Wem gehört die Niederlassung eigentlich? Wer sind die Menschenfreunde, die sie gründeten und die sie erhalten?«
    »Das ist leicht festzustellen. Einen Augenblick, bitte.«
    Leblanc kam schnell zurück mit einem amtlichen Verzeichnis in der Hand.
    »Sie wurde mit privaten Mitteln gegründet von einer Gruppe, deren Haupt ein gewisser Aristides ist. Er besitzt sagenhafte Reichtümer und gibt sehr viel für wohltätige Zwecke aus. Er hat sowohl in Paris als auch in Sevilla Krankenhäuser gegründet, alles aus eigener Initiative. Die übrigen Wohltäter sind seine Teilhaber.«
    »So, das ist also eine Gründung von Aristides. Und Aristides war in Fes, als sich Olivia Betterton dort befand.«
    Leblanc erfasste mit Blitzesschnelle die Lage. »Aristides, natürlich. Aber das ist ja großartig!«
    »Das ist es in der Tat, Leblanc.«
    »Aber begreifen Sie auch, wie ungeheuerlich es ist?«
    Leblanc fuchtelte mit seinem Zeigefinger aufgeregt vor Jessops Nase hin und her. »Dieser Aristides hat seine Hand in jeder Unternehmung. Er steckt fast hinter jedem großen Geschäft. Hinter den Großbanken, der Regierung, dem Waffenhandel, den Eisenbahnlinien! Man sieht ihn nie, man hört kaum etwas von ihm. Er sitzt in seinem Schloss in Spanien, er raucht ständig, und zuweilen kritzelt er ein paar Worte auf ein Fetzchen Papier und lässt es auf den Boden flattern; ein Sekretär bückt sich danach und hebt es auf, und wenige Tage später
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