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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman
Autoren: Christina McKenna
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Bartresen. Er hatte den schleppenden Gang, die langsame Art und dazu den erstaunten und leeren Blick eines Mannes, der vorzeitig aus einer Irrenanstalt entlassen worden war und sich immer noch klarmachen musste, dass ihm ein Arzt tatsächlich die Entlassungspapiere unterschrieben hatte. Seine nach außen schielenden Augen schienen fest auf ein übernatürliches Unglück in naher Zukunft gerichtet zu sein.
    »Wie immer?«, fragte er Jamies linkes Ohr.
    »Ja, und einen winzigen Schluck von dem Portwein, wenn du noch welchen hast.«
    Jamie erhob sich halb vom Hocker, um das Geld aus der Hosentasche zu klauben. Ein paar Augenblicke später knallte er eine Handvoll Münzen auf die Theke – zusammen mit einer Handvoll Samenkörner, einem Busticket, einer rostigen Flügelmutter, einem gebrauchten Streichholz und ein paar Kekskrümeln.
    »Du hast nicht zufällig Barn Potts gesehen, oder?«
    »Na ja, ja und nein«, sagte Slope ausweichend. »Suchste etwa nach ihm?«
    Er stellte den Black Bush Whiskey vor Jamie und bemühte sich, ihm nicht in die Augen zu sehen – was bei seiner Schielerei nicht schwer war –, daneben einen Krug Wasser und das Whiskeyglas und goss ein Glas Portwein ein.
    »Der Mistkerl schuldet mir drei Pfund, die hat er sich schon vor ’n paar Monaten von mir gepumpt.« Mit zitternder Hand goss sich Jamie zwei Zentimeter Wasser in den Whiskey und nahm einen Schluck. »Also, hast du ihn gesehen?«
    »Irgendwie ja und dann auch wieder nich, verstehste?«
    »Nee, tu ich nich!«
    Jamie wischte sich mit der Hand über den Mund und starrte Slope an. Er konnte es absolut nicht ausstehen, wenn man ihn wie einen Idiotenbehandelte. Slope weidete sich an Jamies Unbehagen und freute sich, dass er den Farmer provozieren konnte. Seit McCloone aufgetaucht war, hatte sich sein fast unerträglicher Kater mit einem verbissenen Hämmern bemerkbar gemacht.
    »Also, es war so«, erklärte Slope, »ein Junge kam hier rein und ich dachte, er wärs ... hatte denselben Kopf auf den Schultern wie Potts. Aber als ich zu ihm hin bin, war er’s gar nicht.«
    »Hast ihn also nich gesehen?«
    »Wenn du mir so kommst, Jamie, sag ich mal, ich hab ihn nich gesehen.« Dann fügte er beiläufig hinzu: »Aber wenn ich ihn sehen sollte, dann sag ich ihm, dass du nach ihm gesucht hast.«
    Darauf folgte eine angespannte Stille, in der Slope seinen Triumph auskostete und Jamie wie ein gerupftes Huhn dasaß.
    »Warum haste das nich gleich gesagt?«, fragte er ihn.
    »Was nich gleich gesagt?«
    »Gesagt, dass du Barn Potts gar nich gesehen hast!«
    »Na ja, wie ich dir schon gesagt hab, hab ich doch erst gedacht, ich hab ihn gesehen.«
    Dabei hätte Jamie es belassen, hätte Slope nicht so triumphierend gegrinst, als habe er die Sache für sich entschieden. Das machte Jamie wütend. Gerne hätte er zurückgegeben: »Warum besorgst du dir eigentlich keine Brille, du schieläugiger Wichser?« Aber er wusste, wenn er so eine Bemerkung machte, würde er wohl auf der Straße landen. Da er noch einen Drink brauchte, entschied er sich dafür, Slope mit seinen Urlaubsplänen zu reizen.
    Er nahm noch einen Schluck Whiskey, während der Barbesitzer seine verrückten Blicke über die Kneipe wandern ließ und sich fragte, was sein Kunde als Nächstes sagen würde.
    »Könnte sie jetzt gut gebrauchen«, sagte Jamie, als hätte ihre verworrene Unterhaltung nie stattgefunden.
    »Was kannste jetzt gut gebrauchen?«
    »Na, die drei Pfund, die sich Barn Potts von mir gepumpt hat.«
    »Und warum is das plötzlich so eilig? Mann, is ja nich so, als ob du gleich verhungerst, wenn du se nich kriegst.«
    »Na ja, der Arzt hat gesagt, ich brauch mal Ruhe am Meer, bei meinem kaputten Rücken und so, und da wär’n die drei Pfund schon ganz gut für die Tage.«
    Jamies Äußerung erzielte genau die erwünschte Wirkung.
    »Was? Du brauchst Ferien? Mann, dein ganzes verdammtes Leben ist ein einziger Urlaub!«, schnaubte Slope und machte sich wieder ans Aufräumen.
    »Wenn du ’ne verdammte Bar betreiben musst und den ganzen Tag Fässer durch die Gegend rollst, dann weißt du aber, was ’n kaputter Rücken is!«
    »Ich habs am Ischias«, protestierte Jamie. »Der Arzt hat gesagt, ich brauch Ruhe.«
    »Am Arsch! Nix als ’n Hexenschuss! Das ist doch, wenn die Weiber sich auf ’n Besen setzen und dir den Marsch blasen, oder?«
    Jamie ignorierte den schlechten Witz. Jetzt wollte er lieber etwas Anteilnahme.
    »Stimmt doch, in meinem Alter sollte ich das Ganze mal leichter
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