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Der übersehene Mann: Roman

Der übersehene Mann: Roman

Titel: Der übersehene Mann: Roman
Autoren: Christina McKenna
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triumphierend.
    »Vielleicht ...« Er gab vor, das ernsthaft zu erwägen, während er dachte, was für eine aufdringliche alte Zicke sie doch war.
    Auf einmal klopfte es ans Fenster. Die drei sahen Chuck Sproule, den Tunichtgut, draußen feixen.
    »Wie sieht’s aus, Maisie?«, brüllte er. »Und du, Jamie? Spielst du Samstag wieder auf der ollen Quetschkommode?«
    »Komm vom Fenster, Sproule, aber dalli, sonst komm ich raus und hol dich da runter!«, warnte ihn Slope.
    »Hey, Slope!« Sproules Kopf verschwand und schoss dann erneut hoch. »Gesegnet sind die Schielenden, denn sie werden Gott zweimal erblicken!«
    Slope schoss zur Tür, aber Sproule raste schon wie ein Jagdhund die Hauptstraße hinunter.
    Der Barbesitzer knallte die Tür zu und kehrte mit hochrotem Gesicht hinter den Tresen zurück. Jamie hielt sich die Hand vor den Mund und verkniff sich ein Grinsen.
    »Was ist daran komisch, Mr McCloone?« Slope starrte zornig in seine Richtung.
    »Ich knöpf mir mal die Mutter von dem Lump vor«, sagte Maisie und warf Jamie einen feindseligen Blick zu. »Aber was soll schon sein. Der Vater hat seine Tage in der Kneipe verplempert und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, das wissen Sie ja auch, Mr O’Shea.«
    »Da haben Sie recht, Maisie!« Slope zählte die Münzen in den Beutel. »Hier bitte: sechs Pfund und vier Pence.«
    »Vielen Dank, Mr O’Shea.«
    »Ich sag Ihnen, was Jamies Rücken kuriert, Maisie«, fügte er hinzu und sah einen Punkt nördlich von Maisies Augenbrauen an. »’Ne ordentliche Abreibung mit einer Ihrer Reliquien. Da würd er Sätze machen wie ein Ziegenbock. Haben Sie grad mal eine zur Hand?« Er grinste und legte eine Reihe gebrochener Zähne frei, das Vermächtnis eines Kunden, den er vor ein paar Monaten beleidigt hatte.
    »Ich würde es begrüßen, wenn Sie nicht so grob wären, Mr O’Shea.«
    Sie bückte sich, um das Geld in einer Plastiktüte zu verstauen. Jamie verspürte den plötzlichen Drang, ihr in den dicken Tweedarsch zu treten. Aber das spielte sich nur in seinem Kopf ab.
    »Tschüs!«, rief sie und wandte sich zu ihm um. »Wenn es Ihrem Rücken wieder besser geht, kommen Sie hoffentlich wieder zum Gottesdienst, Jamie!«
    »Na klar, dann komm ich wieder, Maisie.« Als Jamie sie ansah, verwandelten sich ihre riesigen Augen für einen Moment zu Kisten voller Bierflaschen unter einem blauen Himmel.
    »Na gut, bis dann«, sagte sie, sehr zufrieden mit ihrer Mission.
    »Bis dann«, riefen die Männer im Chor.
    Die Tür fiel ins Schloss und auf den Pub senkte sich das übliche angespannte, verrauchte Schweigen.
    In der Bücherei herrschte Flaute, als Lydia die Türen öffnete. Sean, ein Teilzeitmitarbeiter – jung, gut aussehend und sich dessen voll bewusst – lümmelte, Kugelschreiber kauend und in die Sportseiten des
Derry Democrats
vertieft, an seinem Schreibtisch herum. Da er Lydia nicht zu bemerken schien, machte sie durch ein Hüsteln auf sich aufmerksam.
    »Oh, hallo, Miss Devine.« Er blickte hoch, machte sich aber nicht die Mühe aufzustehen. »Sie macht grad Pause. Gehen Sie doch einfach zu ihr rein«, sagte er und vertiefte sich wieder in die Zeitung.
    »Ihnen noch einen schönen Tag, Sean. Wie ich sehe, arbeiten Sie so hart wie immer.«
    Sie ging weiter und freute sich, dass die Beleidigung gesessen hatte. Sie spürte, wie er sich hinter ihr aufrichtete und ihr wütend nachsah, als sie an die Tür mit der Aufschrift »Privat« klopfte.
    Daphne war wie immer froh, ihre Freundin zu sehen.
    »Was für ein Zufall: Ich habe gerade an dich gedacht, Lydia. Ich hab dich ja seit Urzeiten nicht gesehen«, sagte sie und umarmte Lydia herzlich. »Ich könnte mir vorstellen, eine schöne Tasse Tee käme dir jetzt gerade recht?«
    »O nein, vielen Dank, meine Liebe. Ich habe gerade Tee getrunken.« Lydia stellte die Handtasche auf den Boden und ließ sich auf einen Segeltuchstuhl sinken.
    »Bestimmt nicht? Er ist eben frisch gemacht.« Sie hielt die Teekanne hoch.
    Diese entspannte Haltung schätzte Lydia am meisten an ihrer Freundin. Daphne schien sich nie durch irgendetwas aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Sie war solide und verlässlich und scheute sich nicht, den Dingen auf den Grund zu gehen und Lösungen für Probleme zu finden, die Lydia für unlösbar gehalten hatte.
    »Ich muss Mutter gleich vom Cut ’n Curl abholen. Aber vorher wollte ich dich noch um einen Rat bitten.« Sie zögerte. »Falls du einen Augenblick Zeit hast.«
    Daphne setzte sich in den
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