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Der Treffpunkt

Der Treffpunkt

Titel: Der Treffpunkt
Autoren: Eden Bell
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Unbekannten gebissen worden ist und beinahe verblutet wäre?“
      Ich nickte. „Was ist wirklich vorgefallen? Du bist Arzt. Du kennst vielleicht die Wahrheit.“
      Mein Gegenüber seufzte. „Die Wahrheit ist eine komplizierte Angelegenheit. Werner ist natürlich wieder bei vollem Bewusstsein, aber er verschweigt etwas. Ich weiß nicht, was es ist. Seine Geschichte rund um die fremden Männer weist Lücken auf. Die Polizei kann den Jungen nicht unter Druck setzen, weil er beteuert, er könne sich an nichts erinnern. Er ist das Opfer. Und ich habe keine Ahnung, warum er seine Angreifer schützen möchte.“
      „Es steht also definitiv fest, dass es mehrere waren.“
      „Ja, die Bisse stammen von verschiedenen Tätern.“
      „Wie oft ist er eigentlich gebissen worden?“
      Gerhard zögerte einen Moment. „Sechs Mal. Saubere Arbeit. Mit einem normalen Zahn würde man das Fleisch aufreißen, doch Werners Wundmale sind schmal und tief. Es klingt unheimlich, aber es müssen sehr spitze Eckzähne gewesen sein.“
      In mir regte sich ein mulmiges Gefühl. Ich nahm einen Schluck Fanta und lächelte den Schülern zu, die jetzt die Bibliothek betraten, um noch mehr Kekse und Lebkuchen zu holen. Der Raum füllte sich schön langsam.
      „Was hältst du davon, wenn du noch auf einen Drink mit zu mir kommst?“
      Ich traute meinen Ohren nicht. Der stille, dezent gekleidete Schularzt fragte mich, ob ich an einem privaten Treffen Interesse hätte.
      Wenn ich ihn so von oben bis unten musterte, den leichten Bartansatz auf den Lippen begutachtete, die sauberen, großen Hände bestaunte, dann musste ich zugeben, dass ich mich ein wenig zu ihm hingezogen fühlte.
      „Ja, gerne“, antwortete ich schnell. Der Altersunterschied war mir egal. Er war Arzt, das hatte schon was für sich.
      „Ich meine damit, dass du keinerlei Verpflichtungen eingehen musst. Ein diskretes Treffen zweier Männer, die an Weihnachten nicht alleine sein wollen.“
      Woher wusste er, dass ich alleine war? Stand es mir ins Gesicht geschrieben? Ich denke schon.
      Die festliche Musik wurde ausgewechselt und ein selbsternannter DJ legte eine rockigere Scheibe von Bryan Adams auf.
      Gerhard ging in seine Praxis, um ein paar Akten zu kopieren, die er am nächsten Tag brauchte. Ich unterhielt mich derweil mit ein paar Professoren. Es war eine schöne Weihnachtsfeier, aber ich war beunruhigt und musste oft an Heaven und seine Brüder denken.
      Christian, der Star-BWL-Gewinner des letzten Jahres, ein 17jähriger Computer- und Bücherfreak, brachte mich auf andere Gedanken. „Hast du schon das Neue von Dan Brown durch?“
      Ich verzog mein Gesicht. „Ich weiß nicht so recht. Illuminati und Sakrileg gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Außerdem nerven mich seine Verschwörungstheorien.“
      „Ja, ich weiß, es ist Science Fiction, aber es steckt ein wahrer Kern dahinter. Seine Behauptu ngen sind nicht an den Haaren herbeigezogen!“ Christian konterte munter drauflos.
      „Ich finde Dan Brown schrecklich oberflächlich. Außerdem macht er ständig Logikfehler.“
      „Sagt wer?“
      „Sage ich.“
      „Ach ja? Das ist doch nur gekörnte Scheiße!“
      „Hör auf Stephen King zu zitieren!“ Ich musste einfach lachen. Christian, treuer Fan der Schu lbibliothek, brachte mich immer zum Lachen.
      „Du hast sicher in irgendeiner Zeitschrift gelesen, dass sich in seine Romane ein paar kleine Fehler eingeschlichen haben. Jetzt behauptest du, Dan Brown sei schlecht. Wahrscheinlich hast du selbst gar keine Fehler gefunden, als du die Bücher gelesen hast.“
      Er trieb mich in die Enge. Ich musste mir was einfallen lassen. „Halt! Erstens habe ich Illuminati nur als Hörbuch konsumiert und bei Sakrileg habe ich mir die Augenlider aufspannen müssen, um nicht einzuschlafen. Das Buch war schrecklich langweilig.“
      „Du bist ein schlechter Kritiker.“
      „Was? Du bist heute sehr frech, weißt du das?“
      Christian grinste schelmisch. „Weiß ich.“
      Gerhard gesellte sich wieder zu uns. Ich beobachtete seine Mimik und stellte fest, dass mich seine Blicke sehr erregten. Mir ging durch den Kopf, dass ich schon lange keinen Sex mehr g ehabt hatte. War dies der richtige Zeitpunkt, um mit einem Kerl zu schlafen? Ich wollte es von ganzem Herzen, spürte aber auch einen enormen Widerstand.
      Die Feier neigte sich dem Ende zu und ich ging zu meinem Auto. Gerhard folgte mir bis zu meiner Wohnung, dann stieg
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