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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille
Autoren: Petra Durst-Benning
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Freiburg, im Herbst 2000

    Â»Und Sie sind sicher, dass Ihnen unsere Verabredung wirklich gelegen kommt?« Yvonne Herrenberg, die Redakteurin der Frauenzeitschrift Unsere Welt , machte keine Anstalten mehr, ihre Verärgerung zu verbergen.
    Julie lachte verkrampft. »Aber natürlich! Es ist nur … ausgerechnet heute scheint hier alles drunter und drüber zu gehen …« Hilflos zuckte sie mit den Schultern. Hätte sie der Frau sagen sollen, dass dies das alltägliche Chaos bei »Soul Fantasies« war?
    Yvonne Herrenberg verzog ungnädig den Mund. »Vielleicht sollten wir trotzdem mit unserem Rundgang beginnen.« Ein strenger Blick auf ihre Designeruhr folgte.
    Julie nickte heftig. »Kein Problem. Geben Sie mir noch einen Moment, dann bin ich bei Ihnen.« Ein Lächeln – und sie verschwand durch die Bürotür.
    Konsterniert schaute die Redakteurin ihr nach. War das die typische Arroganz einer Frau, die glaubte, sich aufgrund ihrer Attraktivität alles erlauben zu können? Oder war Julie Rilling schlicht und einfach völlig unorganisiert?
    Zwei Mal hatte Yvonne Herrenberg nun schon ihren Stift gezückt, um die Leiterin der progressivsten Kunstschule Süddeutschlands zu interviewen. Beide Male war sie mitten in ihrer ersten Frage unterbrochen worden: Zuerst war eine glatzköpfige junge Frau in den Raum gestürmt und hatte gerufen: »Räucherstäbchen! Wo sind meine Räucherstäbchen? Wie soll ich Siddharta ohne die entsprechende Atmosphäre rezitieren?« Julie Rilling hatte sämtliche Schubladen einer Kommode durchwühlt, bis sie schließlich in der letzten fündig geworden war. Die Glatzköpfige war gerade glückselig davongerauscht, als ein Jugendlicher mit grotesken Tätowierungen hereinpolterte undJulie am Arm aus dem Raum zerrte. »Spikey-Mike … er ist gestürzt!« – mehr hatte Yvonne nicht verstanden.
    Sie seufzte. Was man nicht alles für seine Leser auf sich nahm!
    Â»Verflixt noch mal, Theo, kannst du bitte dafür sorgen, dass ich in der nächsten Stunde meine Ruhe habe? Was soll denn die Zeitungstante für einen Eindruck von unserem Laden bekommen, wenn mir alle fünf Minuten ein anderes Baby heulend am Rockzipfel hängt!«, zischte Julie ihrer Geschäftspartnerin zu, die mit einer Zigarette in der einen und dem Telefonhörer in der anderen Hand am Schreibtisch saß.
    Â»Da ist ein Privatdetektiv in der Leitung«, wisperte Theodora Herbst. Die Telefonschnur hatte sich in ihren langen roten Haaren verheddert. Während sie sprach, versuchte sie sie zu befreien. »Ein Herr Bogner. Er sagt, er hätte Anfang der Woche schon einmal angerufen.«
    Â»Ein Detektiv?« Julie stutzte. »Ich habe jetzt keine Zeit. Er soll dir sagen, was er will.« Bevor Theo etwas erwidern konnte, war sie auch schon wieder draußen und lächelte die Redakteurin von Unsere Welt an. Mit einer Handbewegung wies sie den Gang hinunter. »Los geht’s!«
    Â»Sind das alles Kunstwerke Ihrer Schüler?« Yvonne Herrenberg zeigte auf die lange Reihe von Bildern links und rechts von ihnen.
    Â»Ja, wir nennen das hier unsere Galerie«, erwiderte Julie. »Wir haben versucht, das fehlende Tageslicht durch geschickte Beleuchtung wettzumachen, trotzdem bleibt es ein schlauchartiger Gang, mehr nicht. Doch so bekommen unsere Künstler immerhin schon ihre erste Ausstellungserfahrung.«
    Â»Sehr gelungen!« Yvonne Herrenberg war vor einem Aquarell stehen geblieben, das einen Seerosenteich vor einer asiatisch anmutenden Gartenkulisse zeigte. »So etwas hätte ich hier gar nicht vermutet. Ich dachte, bei Ihnen gehen vor allem die Jungen Wilden in die Schule«, sagte sie mit einem leicht ironischen Unterton.
    Â»Nein, hier arbeiten ganz verschiedene Künstlerinnen und Künstler, sowohl was das Alter und das Geschlecht als auch das Kunstverständnis angeht«, versetzte Julie lachend. »Und genau das haben wir uns von Anfang an vorgenommen: Jeder Art von Kunst einen Raum zu geben, wo sie blühen und sich entfalten kann. Hier ist zum Beispiel unsere Oase der Ruhe .«
    Sie öffnete die Tür zu einem Raum, der in hellen Farben gestrichen war. Wedel von riesigen Farnen wiegten sich sanft vor halb geöffneten Fenstern, das Sonnenlicht wurde durch hauchdünne Organzavorhänge gefiltert, und aus einem CD-Player ertönte leises Vogelgezwitscher und das
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