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Der Treffpunkt

Der Treffpunkt

Titel: Der Treffpunkt
Autoren: Eden Bell
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Ich war verwirrt und zornig. „Werner habt ihr auch nicht getötet. Was hat er euch denn getan, dass ihr ihn so übel zugerichtet habt?“
      „Erstens sind wir durstig, zweitens war es seine Schuld, drittens hat er es einem Wunder zu ve rdanken, dass er jetzt noch atmen kann.“ Der Bruder zur linken von Heaven hatte das Wort ergriffen.
      „Ihr seid also Vampire.“
      „Du darfst uns nennen wie du willst. Am liebsten tragen wir den Titel Tod. Das passt am besten zu uns.“ Heaven lächelte teuflisch.
      Ich hätte lügen müssen, hätte ich gesagt, dass es mich nicht erregte. Ich wollte mehr über die Welt erfahren, in der sie lebten.
      „Habt ihr Werner entführt?“
      „Nein, er ist zu uns gekommen. Er war unser Abendessen. Was glaubst du, wovon wir leben?“
      „Und was erhofft ihr euch von mir?“
      „Dass du uns berührst“, entgegnete Heaven frech.
      „Ich werde euch sicher nicht berühren. Seid ihr komplett bescheuert?“
      Einer nach dem anderen lachte still in sich hinein.
      „Gut, dann schwimm zurück.“
      „Und wenn ich die Polizei hole?“
      „Hol die Polizei!“
      Darauf wusste ich spontan keine Erwiderung. Ich wedelte mit den Armen im Wasser umher und schaute alle sechs Kerle an. Ich war neugierig, ja, aber ich war nicht lebensmüde.
      Niko, verschwinde hier, dachte ich.
      „Also lasst ihr mich einfach so gehen?“
      „Warum sollten wir nicht? Wenn du die Regeln nicht verletzt, wird dir kein Haar gekrümmt.“
      Da ich schon immer gerne verhandelt habe, schlug ich einen Deal vor.
      „Was, wenn ich euch berühre und ihr trinkt von mir, lasst mich aber am Leben – so wie ihr es bei Werner gemacht habt?“
      „Den Fehler von gestern werden wir nicht noch einmal machen. Wir töten dich, wenn es so weit ist, das weißt du. Warum bist du so versessen darauf?“
      Ich fühlte die steigende Spannung. „Hey, Jungs, wir sind doch alle erwachsen und glauben nicht mehr an den Weihnachtsmann. Warum können wir uns nicht einfach ein bisschen amüsieren? Wir haben die ganze Nacht Zeit!“ Ich wollte Klartext sprechen und hoffte auf Verständnis.
      Vergebens. „Du hast recht. Wir glauben nicht mehr an den Weihnachtsmann. Aber du solltest an uns glauben. Und wenn es das letzte ist, was du tust. Glaube. Glaube an uns, du schöner Held.“
      Ich lächelte verlegen. „Ich bin kein Held.“
      Heaven spritzte ein paar Tropfen Wasser in meine Richtung. „Lügner! Sieh dich an! Du bist der geborene Held! Du wirst zur Polizei gehen und von sechs Männern erzählen, die einem Vampi rkult angehören und dann wird dir die Tapferkeitsmedaille verliehen. Du gehst weiterhin jeden Tag zur Arbeit, fristest dein einsames Dasein, begnügst dich mit kleinen Weihnachtsfeiern und Geburtstagskarten, wirst älter und alt und dann stirbst du eines Tages, einsam und allein und wirst an den Tag denken, an dem du die Chance gehabt hättest, würdevoll abzutreten. Geliebt von sechs Männern, die die Straße des Todes für dich säumen. Begehrt von unseren Zungen, hochgelobt von unseren Stimmen. So hätten wir dich zu Grabe getragen. Prunkvoll, lüstern, leidenschaftlich, schön. Deine Jugend wäre unsterblich geblieben. Aber du wirst dann ein Held sein und an diesen Tag zurückdenken. So sterben Helden.“
      Ich schluckte. So nahe war ich dem Himmel noch nie gewesen. Oder war es nicht eher die Hö lle? Ich suchte einen Funken Hoffnung und glaubte ihn in den Augen der Männer zu finden, doch die einzige Möglichkeit, um zu überleben, war Flucht.
      Mit blitzartiger Schnelligkeit tauchte ich unter. Das tiefe Blau war wie eine Erlösung für mich. Das Chlor brannte in meinen Augen, trotzdem hielt ich sie offen. Die Gesichter, Bilder und E rinnerungen verschwammen. Die Luft wurde knapp. Zum Glück war die Oberfläche nicht mehr weit. Atemlose Stille umhüllte mich, als ich aus dem Whirlpool stieg. Gerettet, in Sicherheit. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Da ich das Gefühl hatte, dass sie mir folgen könnten, beeilte ich mich dabei, das Bad zu verlassen. Ich trocknete mich rasch ab und zog mich an. Als ich die Tür hinter mir schloss, stellte ich einen schweren Kasten davor.
      Erst jetzt beruhigte ich mich. Ich wollte weg von hier. Was war das nur für ein kranker Scherz? Ich hockte mich auf einen Drehsessel und wartete.
     
    Am nächsten Tag rief ich bei Maria Tzelen an, der Schulsekretärin, und meldete mich krank. Ich musste Abstand gewinnen, meine Gedanken neu ordnen
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