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Ich mag dich wie du bist

Ich mag dich wie du bist

Titel: Ich mag dich wie du bist
Autoren: Francesco Gungui
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    H abt ihr schon mal zwei Menschen beobachtet und überlegt, ob sie ein Paar sind, Geschwister, Freunde oder was auch immer? Mir passiert das öfter, vor allem morgens, wenn ich in der U-Bahn sitze. Ich konzentriere mich auf zwei Leute und beobachte sie so lange, bis einer von ihnen etwas sagt oder tut, was alles klärt. Ein Kuss oder ein Satz wie zum Beispiel: »Denkst du daran, Mama anzurufen?« oder »Ich liebe dich«. Doch meist haben die Menschen Besseres zu tun als der ganzen Welt klarzumachen, warum sie morgens um halb acht zusammen unterwegs sind.
    Luca und Martina stehen vor der Bar und unterhalten sich. Sie lacht und legt ihm dabei eine Hand auf den Arm oder auf die Schulter, aber daran ist nichts besonders Intimes, das tun viele. Er wirkt ernst, während er mit ihr redet, aber tatsächlich ist das sein normaler witziger Plauderton, und so kann er geschickt verbergen, wie stolz er darauf ist, dass jetzt alle Augen auf ihn gerichtet sind. Es ist schon merkwürdig, ihn so mit Martina ins Gespräch vertieft zu sehen. Für alle, auch für mich.
    Gleich werde ich zu ihnen gehen und sie begrüßen. Und es ist wirklich schade, dass ich meinen Körper nicht verlassen kann, um diese Szene von außen zu genießen. Zu beobachten, was ich tue und was sie, wie ich sie beide auf die Wange küsse und wie wir dann unsere Kommentare über das neue Schuljahr abgeben.
    Doch wozu wäre das gut? Wahrscheinlich wäre ich danach auch nicht schlauer. Und vielleicht muss man auch nicht alles begreifen und alle Beziehungen und Menschen genau einordnen. Auch wenn es so eine Einordnung mal gab, ganz klar und eindeutig.
    Im Grunde versuche ich doch nur zu verstehen, wie ich, wie wir dahin gekommen sind, wo wir jetzt sind, und was unser Leben verändert hat. Alles ist jetzt anders. Und in den nächsten Tagen wird mir sicher vieles klar werden. Doch im Moment bleibt mir nichts anderes übrig, als an die vergangene Zeit zurückzudenken und an diesen Tag, der mein Leben verändert hat.

Eins
    Man sagt, wenn du zu sehr auf etwas wartest, wird es nie eintreffen, und je mehr du darauf hoffst, desto unerreichbarer wird es. Das Ganze funktioniert auch umgekehrt: Wenn du aus ganzem Herzen betest, etwas Bestimmtes möge bitte bitte bitte nicht geschehen, kannst du sicher sein, dass es garantiert ganz schnell passiert. Und es nützt auch nichts, zu glauben, man könne dem Schicksal ein Schnippchen schlagen und einfach so tun, als sehne man etwas herbei, das man überhaupt nicht will. Am besten denkt man gar nicht. Schade nur, dass ich das nicht kann …
    »Weißt du, was du tun musst?«, fragt mich Luca, während wir draußen vor der Schule warten, dass die Zeugnisnoten endlich ausgehängt werden.
    »Sag schon.«
    »Stell dir einfach alle denkbaren Möglichkeiten vor und mach dich auf jede einzelne gefasst.«
    »Aber ich will auf nichts gefasst sein, ich möchte, dass alles so läuft, wie ich es will.«
    »Tja, darauf hast du leider keinen Einfluss.«
    »Na gut, im Moment gibt es nur zwei Möglichkeiten: Wenn es gut für mich gelaufen ist, dann ist alles okay: Morgen sitze ich im Zug nach Genua, und in ein paar Wochen bin ich auf Sardinien, ohne meine Eltern, ohne meinen Bruder, nur mit meinen Freundinnen. Und wenn es schiefgegangen ist, habe ich einen Monat lang Stress mit meinen Eltern hier und bin dann auf einem familienfreundlichen Campingplatz in Apulien.«
    »Okay, dann sieh es mal so: Schlimmstenfalls verbringst du den Sommer mit deiner Familie, und in zehn Jahren kannst du dann deinen Freunden eine nette Geschichte erzählen.«
    »Oh ja, was für ne super Geschichte …«
    »Nein, das stimmt! Stell dir doch nur mal vor, wie du in zehn Jahren bist.«
    »Luca, das funktioniert nicht.«
    »Nicht wirklich, oder?«
    Luca ist mein »Münzautomat für philosophische Weisheiten und Theorien«. Und genau wie ein Kaffeeautomat behält er manchmal das Wechselgeld ein und manchmal ist der Kaffee aus oder die Stäbchen zum Umrühren. Doch der Vorteil ist, dass er vierundzwanzig Stunden am Tag läuft. Heute fürchte ich allerdings, ihm ist alles ausgegangen, die Stäbchen, der Zucker, der Kaffee und die Becher. Alles, was bisher rauskam, war heiße Luft. Und egal, wie sehr ich es mir schönzureden versuche, Fakt ist: Wenn ich nicht versetzt werde, dann bin ich am Ende.
    »Glaubst du an das Schicksal?«
    Er versucht es noch einmal.
    »Meinst du etwa, wenn man sitzen bleibt, ist das Schicksal? Danke, das ist wirklich sehr nett von
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